Karl Nolle, MdL

spiegel-online.de, 26.02.2011

Top-Juristen unterstellen Guttenberg Vorsatz

Copy-and-Paste-Affäre
 
Er selbst spricht von "gravierenden handwerklichen Fehlern", doch das nehmen ihm renommierte Rechtsexperten nicht ab. Im SPIEGEL werfen Spitzenjuristen Verteidigungsminister Guttenberg vor, bei seiner Doktorarbeit Passagen vorsätzlich kopiert zu haben.

Hamburg/Berlin - Es sind harte Vorwürfe: Mehrere namhafte Juristen sehen die Beweise als erdrückend an, dass Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bei der Erstellung seiner Doktorarbeit aus nicht kenntlich gemachten fremden Texten mit Vorsatz gehandelt hat. "Ich würde einem Kandidaten nicht glauben, der in so einem Fall behauptet, dass es bloße Fahrlässigkeit war", sagte der Kölner Strafrechtsprofessor Thomas Weigend dem SPIEGEL.

Der auf Streitereien um Examensarbeiten spezialisierte Rechtsanwalt Michael Hofferbert urteilte: "Kein Richter wird einem Kandidaten glauben, der über hundert Seiten seiner Doktorarbeit abschreibt und hinterher behauptet, er habe dies versehentlich getan." Der frühere Verfassungsrichter Winfried Hassemer sagte: Selbst wenn der faktische Beweis nicht vorliege, seien "Juristen gut darin geübt, den Vorsatz aus den äußeren Umständen einer Tat zu schließen".

Guttenberg hat sich bisher stets gegen den Vorwurf des Vorsatzes verwahrt und lediglich "gravierende handwerkliche Fehler" eingeräumt. Er betont stets, nicht wissentlich getäuscht zu haben, sondern bei der Vielzahl der Quellen etwas den Überblick verloren zu haben.

Selbst Vertraute melden indes vorsichtige Zweifel an dieser Erklärung an. Der frühere Thüringer Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) sagte im Interview mit SPIEGEL ONLINE: "Diese Erklärung ist für mich schwer nachvollziehbar." Und schon gibt es einen neuen Verdachtsfall: Auch in einem 2004 veröffentlichten Aufsatz zur Beziehung zwischen der Türkei und der EU soll Guttenberg Fremdpassagen übernommen haben, ohne die Urheber zu nennen. Sein Büro weist die Vorwürfe zurück.

Das Image nimmt Schaden

Seit Tagen mehren sich die kritischen Stimmen aus der Wissenschaft an Guttenbergs Verhalten. Die Universität Bayreuth hatte ihm am Mittwoch seinen Doktortitel aberkannt. Auf bis zu 270 Seiten sollen fremde Quellen nicht als solche oder nur unzureichend gekennzeichnet worden sein. Das bislang makellose Image des Verteidigungsministers leidet zusehends unter der Affäre. Der 39-Jährige bleibt im jüngsten ZDF-"Politbarometer" zwar beliebtester Politiker in Deutschland. Nachdem er seinen Doktortitel verloren hat, führt er aber nur noch mit hauchdünnem Vorsprung vor Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Die Opposition verlangt weiter den Rücktritt des CSU-Politikers. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier sagte der "Südwest Presse": "Er wird als Minister nicht zu halten sein." Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Merkel Verantwortungslosigkeit vor, weil sie Guttenberg im Amt lässt. "Ein erfolgreicher Hochstapler hat keine Nachsicht verdient", sagte er der "Passauer Neuen Presse".

Der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften, Jörg Hacker, wirft Guttenberg in der Plagiatsaffäre eine schlechte Vorbildrolle vor. "Unredliches Vorgehen bei der Abfassung wissenschaftlicher Arbeiten stellt eine Handlung dar, die den Respekt vor der Wissenschaft und ihren elementaren Prinzipien vermissen lässt", sagte der Biologe der Nachrichtenagentur dpa.

Der Deutsche Hochschulverband zeigt sich entsetzt über die verharmlosenden Kommentare vieler Spitzenpolitiker zur Doktorarbeit des Verteidigungsministers. "Die Marginalisierung schwersten wissenschaftlichen Fehlverhaltens durch höchste Repräsentanten unseres Staates ist empörend", erklärte Verbandspräsident Bernhard Kempen am Freitag. Dies sei respektlos. "Wissenschaft ist kein Sandkasten, sondern ein elementar wichtiger Teil unserer Gesellschaft."

Formelle Ermittlungen gibt es in der Sache noch nicht. Zunächst werde die Überprüfung der Vorwürfe durch die Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft der Universität Bayreuth abgewartet, erklärte Oberstaatsanwalt Reiner Laib. "Wenn das Ergebnis vorliegt, wird die Staatsanwaltschaft Hof prüfen, ob sich hieraus Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten ergeben", betonte Laib. Es wurde Strafanzeige wegen möglicher Verstöße gegen das Urheberrecht erstattet.