Karl Nolle, MdL

spiegel.online.de, 28.02.2011

Plagiatsaffäre: Doktorvater wendet sich von Guttenberg ab

"Die in der Promotionsschrift von Herrn zu Guttenberg entdeckten, mir unvorstellbaren Mängel sind schwerwiegend und nicht akzeptabel",
 
Kehrtwende des Jura-Professors Peter Häberle: Der Doktorvater von Karl-Theodor zu Guttenberg distanziert sich von seinem früheren Summa-cum-Laude-Absolventen. Die"unvorstellbaren Mängel" in der Dissertation seien "schwerwiegend und nicht akzeptabel".

Nach tagelangem Schweigen ist nun auch der Doktorvater von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der emeritierte Bayreuther Jura-Professor Peter Häberle, auf Distanz zu seinem ehemaligen Studenten gegangen.

Mit sehr großem Bedauern habe er zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Umstände der von ihm betreuten Promotion geeignet seien, "den Ruf der Universität Bayreuth in der öffentlichen Diskussion in Misskredit zu bringen", heißt es in einer Erklärung, die SPIEGEL ONLINE vorliegt.

"Die in der Promotionsschrift von Herrn zu Guttenberg entdeckten, mir unvorstellbaren Mängel sind schwerwiegend und nicht akzeptabel", so Häberle. "Sie widersprechen dem, was ich als gute wissenschaftliche Praxis seit Jahrzehnten vorzuleben und auch gegenüber meinen Doktoranden zu vermitteln bemüht war." Die Aberkennung des Doktortitels sei die notwendige Folge gewesen.

Als die Vorwürfe gegen Guttenberg bekannt wurden, hatte der 76-jährige Häberle noch gesagt, die Arbeit sei kein Plagiat. Eine "erste spontane und letztlich zu vorschnelle Reaktion", nennt es Häberle jetzt.

Der Jura-Professor betont, dass es keine "äußere Beeinflussung" gegeben habe, als er die Arbeit Guttenbergs betreute.

"Wir sind einem Betrüger aufgesessen", wettert Häberles Nachfolger

Häberle ist einer der anerkanntesten Staatsrechtler des Landes. Sein Nachfolger an der Universität Bayreuth, Oliver Lepsius, hatte Guttenberg bereits am Wochenende scharf attackiert. "Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Niemand hätte sich vorstellen können, mit welcher Dreistigkeit hier ein Plagiat eingereicht wird. Es ist ein Ausmaß an Dreistigkeit, das wir bisher nicht gesehen haben", sagte Lepsius.

Ebenso unmissverständlich ist die Kritik, die Guttenberg aus der Wissenschaft und aus den Universitäten entgegenschlägt: Zehntausende Doktoranden, Wissenschaftler und andere Unterstützer werfen Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem offenen Brief vor, alle wissenschaftlichen Mitarbeiter zu verhöhnen, indem sie die Plagiatsaffäre kleinrede und Guttenberg im Amt halte.

Das Schreiben an Merkel mit rund 23.000 Unterschriften wurde am Montag im Kanzleramt übergeben. Einer der Initiatoren, Hannes Klöpper, sagte, die in der Poststelle des Kanzleramts abgegebenen ausgedruckten Listen der Internet-Initiative umfassten 577 Seiten. Am Nachmittag stieg die Zahl der Unterstützer bereits auf mehr als 30.000.

In dem Brief heißt es, die Unterzeichner verfolgten "mit großer Erschütterung und noch größerem Unverständnis" die Debatte um Guttenberg. "Wir haben den Eindruck, dass Sie mit aller Macht versuchen, einen Minister zu halten, der trotz massiver Gegenbeweise immer noch die Behauptung aufrecht erhält, er habe in seiner Doktorarbeit nicht bewusst getäuscht."

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, Merkel habe Verständnis für die Kritik der Wissenschaftler. Sie teile aber nicht die Schlussfolgerung, dass es sich bei ihrem Verhalten um eine Missachtung der Wissenschaft gehandelt habe. Der Verteidigungsminister genieße weiter das Vertrauen und die Unterstützung der Bundeskanzlerin.


Die Erklärung von Peter Häberle im Wortlaut

"Mit sehr großem Bedauern habe ich zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Umstände der von mir betreuten Promotion von Herrn K.-T. zu Guttenberg den Ruf der Universität Bayreuth in der öffentlichen Diskussion in Misskredit zu bringen geeignet sind. Die in der Promotionsschrift von Herrn zu Guttenberg entdeckten, mir unvorstellbaren Mängel sind schwerwiegend und nicht akzeptabel.

Sie widersprechen dem, was ich als gute wissenschaftliche Praxis seit Jahrzehnten vorzuleben und auch gegenüber meinen Doktoranden zu vermitteln bemüht war.

Die Aberkennung des Doktortitels war die notwendige Folge. In meiner ersten spontanen und letztlich zu vorschnellen Reaktion konnte ich - ohne Detailkenntnis der konkreten Vorwürfe - das Ausmaß nicht absehen. Im Blick auf die Originalität der Fragestellung und die Intensität der inhaltlichen Ausarbeitung hielt ich jede Form eines Vorwurfs für ausgeschlossen - zumal Herr zu Guttenberg stets zu meinen besten Seminarstudenten gehörte.

Ich habe den Werdegang seiner Arbeit, wie bei all meinen Doktoranden ohne jede äußere Beeinflussung nach besten Kräften betreut. Ich werde auch weiterhin als Wissenschaftler alles mir Mögliche zur erforderlichen Aufklärung der Umstände durch die Gremien der Universität beitragen."
otr/AFP/dpa/dapd