Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 02.03.2011
"Causa Merkel" - "Wie arm muss eine Partei sein, die ohne Guttenberg nicht auszukommen glaubt."
Der Dresdner Politikprofessor Patzelt über Guttenbergs Abgang und die Beschädigung der Kanzlerin
Leipzig. Der Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg kommt viel zu spät, meint der Politikwissenschaftler Werner Patzelt. Der Professor von der TU Dresden geht außerdem hart mit jenen ins Gericht, die sich durch Guttenberg haben einnehmen lassen.
Frage: War der Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg folgerichtig?
Werner Patzelt: Der Rücktritt war längst überfällig. Besser wäre es für Guttenberg gewesen, gleich nach Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe seine Verfehlungen zuzugeben und zurückzutreten. Jetzt aber bringt auch der Rücktritt keinen Respekt mehr ein.
Sie sind ein wissenschaftlicher, nüchterner Begleiter des Politikbetriebes. Im Fall Guttenberg klingen Sie enttäuscht.
Es ist doch wirklich schlimm, mit welcher Larmoyanz und mit welch verschobener Schuldzuweisung Guttenberg beim Rücktritt argumentiert hat. Er ist ja nicht deshalb zurückgetreten, weil der Respekt vor ihm verspielt sei - sondern deshalb, weil die Medien so böse waren. Darauf muss man erst einmal kommen. Gewiss war sein Rücktritt bewegend. Trotzdem spürte man aufs Neue einen unangenehmen Zug: Da liebt jemand vor allem sich selbst - und glaubt vielleicht wirklich, dass er so toll ist, wie er seinen Bewunderern zu sein scheint.
Nun ist Herr Guttenberg aber der beliebteste Politiker des Landes, in Umfragen stand zuletzt eine große Mehrheit zu ihm. Wie lässt sich die Diskrepanz zwischen Bevölkerung und öffentlicher Meinung erklären?
Mir scheint, dass hier eine große politische Unerzogenheit unseres Volkes zum Vorschein kommt: Es lechzt immer noch nach Lichtgestalten und lässt sich allzu gern vom Schein blenden. Politiker mag es eigentlich nur dann, wenn sie sich als "untypische Politiker" darstellen. In dieser Disziplin war Guttenberg einfach brillant - und mehr als zum Urteil über den kunstvoll verfertigten schönen Schein reicht es bei vielen anscheinend nicht.
Das sind harte Worte.
Und nötige! Guttenbergs Popularität zeigt doch nur: Der Schwachpunkt der Demokratie ist der medienhörige Bürger. Doch gottlob besitzt ein großer Teil auch Maßstäbe angemessener Kritik. Hätten die alle nicht so viel Druck gemacht, wäre es Guttenberg womöglich gelungen, eines Tages bayerischer Ministerpräsident oder gar Bundeskanzler zu werden. Das wurde zwar gestoppt. Doch das Ärgernis bleibt, dass sich so viele Deutsche hinter einen geständigen Betrüger stellen.
Die Kanzlerin hat die gesamte Zeit zu ihrem Verteidigungsminister gestanden. Wieviel Schaden nimmt Angela Merkel durch diesen Rücktritt?
Großen Schaden. Mit ihrer Aussage, sie habe keinen Wissenschaftler, sondern einen Verteidigungsminister eingestellt, hat sie einen großen Teil jener Werte für verzichtbar erklärt, für die gerade eine bürgerliche, eine konservative Partei steht: Redlichkeit, Genauigkeit, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbereitschaft. Das alles wurde von der Kanzlerin beiseite gewischt. Deshalb handelt es sich nicht mehr nur um eine Causa Guttenberg, sondern auch um eine Causa Merkel.
Sollte Angela Merkel die Krise für einen Befreiungsschlag nutzen - und etwa das Kabinett umbilden?
Sollte sie nur rasch die Lücke stopfen können, würfe das einen weiteren Schatten auf den Zustand der politischen Instinkte von Frau Merkel. Jetzt nämlich braucht sie einen wirklich guten Verteidigungsminister.
Denken Sie, dass Herr Guttenberg nach einer gewissen Auszeit wieder zurück kommen kann und wird?
Das halte ich für schwer vorstellbar. Er war ganz offensichtlich nicht Manns genug, für einen argen Fehler rechtzeitig eine angemessene Buße zu akzeptieren. Und dass er selbst noch beim Abgang die Schuld eher anderen als sich selbst gibt, zeigt doch: Guttenberg hat selbst aus einer so schmerzhaften Lektion wenig gelernt. Wie arm muss eine Partei sein, die ohne ihn nicht auszukommen glaubt.
Interview: Andreas Debski