Karl Nolle, MdL

spiegel-online.de, 13:39 Uhr, 16.07.2011

Quadriga-Kuratorium sagt Putin-Ehrung ab

Umstrittene Preisvergabe
 
Die Kritik war heftig, jetzt zieht das Kuratorium die Konsequenzen: Wladimir Putin wird nun doch nicht mit dem Quadriga-Preis ausgezeichnet. Vorausgegangen war ein heftiger Streit, der Rückzug von Jurymitgliedern - und eine Drohung Václav Havels.

Berlin - Die Vergabe des Quadriga-Preises wird in diesem Jahr ausgesetzt. Und zwar komplett. Das Kuratorium am Samstag darauf geeinigt, die Preisvergabe in diesem Jahr ausfallen zu lassen. Damit erhält nicht nur der russische Ministerpräsident Wladimir Putin keinen Preis für seine Führungsqualitäten, sondern auch die anderen Nominierten gehen leer aus.

Die Quadriga sei "betroffen von der massiven Kritik in den Medien und Teilen der Politik an einer Entscheidung, die die bisherige Praxis der Kooperation und Verständigung aufnimmt und weiterentwickelt", schrieb das Kuratorium in einer am Samstag veröffentlichten Erklärung. Putins Nominierung als einer der vier Preisträger 2011 stehe "in einer Reihe mit bisherigen Entscheidungen, jeweils einen der vier Jahrespreise an Persönlichkeiten zu geben, die sich in besonderem Maße für die Beziehungen zum geeinten Deutschland eingesetzt haben", hieß es in der Begründung des Preisverzichts weiter.

Noch am Dienstag hatte die Jury entschieden, trotz der Kritik an der Auszeichnung Putins festzuhalten. Nominierte Preisträger für das Jahr 2011 waren neben Putin die mexikanische Außenministerin Patricia Espinosa, die türkischstämmige Autorin Betül Durmaz und der palästinensische Ministerpräsident Salam Fajad.

Mathiopoulos kritisiert "heftig aufgekommenen Moralismus"

Auch die Historikerin Margarita Mathiopoulos, die Mitglied im Kuratorium ist, kritisierte die öffentlichen Reaktionen auf die Pläne, Putin auszuzeichnen. Der "heftig aufgekommene Moralismus von verschiedenen politischen und publizistischen Ecken", erstaune sie, sagte Mathiopoulos der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Sie fragte: "Sind wir in dieser Republik nicht auch von Politikern wie Hans Globke, Herbert Wehner oder Joschka Fischer mitregiert worden? Hatten alle drei nicht auch eine kontroverse Vergangenheit?" In der Tat sei Putin kein "lupenreiner Demokrat". Aber auch "in lupenreinen Demokratien sind nicht unbedingt alle politisch Verantwortlichen lupenreine Demokraten".

Der Preis wird verliehen an "Vorbilder, die Aufklärung, Engagement und Gemeinwohl" verpflichtet sind. Dass ausgerechnet der russische Ministerpräsident ausgezeichnet werden soll, dessen Demokratieverständnis höchst umstritten ist, hatte einige Kuratoriumsmitglieder und frühere Preisträger erzürnt. Putin sollte laut Kuratorium "für seine Verdienste für die Verlässlichkeit und Stabilität der deutsch-russischen Beziehungen" geehrt werden.

Vaclav Havel drohte mit Preisrückgabe

Der frühere tschechische Präsident Václav Havel hatte angekündigt, seinen Preis zurückzugeben, falls Putin die Ehrung erhalten sollte. Havel hatte den Quadriga-Preis vor zwei Jahren erhalten. Am Freitag hatte bereits der frühere Preisträger Olafur Eliasson seine Auszeichnung aus Protest zurückgegeben. Der dänische Künstler war im vergangenen Jahr ausgezeichnet worden.

Auch im Kuratorium lichteten sich die Reihen: Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, erklärte ebenso seinen Rücktritt aus dem Kuratorium wie der Heidelberger Historiker Edgar Wolfrum. Zuletzt wurde bekannt, dass auch Barbara Monheim, die eine Stiftung für europäischen Dialog führt, aus dem Kuratorium zurücktritt. Sowohl die "interne Verfahrensweise", so ihre Begründung, als auch "die öffentliche Kommunikationspolitik" bei der Quadriga seien "völlig inakzeptabel".

"Leadership braucht Entschlossenheit"

Die Quadriga ist 1993 aus dem Verein "Werkstatt Deutschland" hervorgegangen, die Verleihung des "Quadriga"-Preises ist seit dem Jahr 2003 die wichtigste Aktivität des Netzwerks. Jeweils am 3. Oktober, meist im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, trifft sich die Prominenz der Hauptstadt in Smoking und Abendkleid, um die Preisträger und sich selbst zu feiern. Die rund 200.000 Euro teure Preisverleihung sei ein "originärer Beitrag zu einer demokratischen und dennoch repräsentativen Feierkultur des Tages der Deutschen Einheit".

Michail Gorbatschow bekam schon eine goldene Quadriga in die Hand gedrückt, auch Helmut Kohl, Gerhard Schröder oder im vergangenen Jahr Karl-Theodor zu Guttenberg und der griechische Premier Giorgos Papandreou. 2007 bekam der SPIEGEL als "Institution der Republik" den Preis.

Bereits am 7. Dezember vergangenen Jahres vereinbarte das Kuratorium, dass in diesem Jahr Personen unter dem Motto "Leadership" ausgezeichnet werden sollten. Das zu prämierende Anführertum definierte man unter anderem so: "Leadership braucht die Entschlossenheit für das Notwendige."

Kommentar von Karl Nolle:
"Wenn schon Ehrung für Putin warum nicht gleich posthum für den "verdienten" Tschekisten und Minister für Staatssicherheit der DDR Erich Mielke ?"

siehe auch Presse-Links ab 17.1.09 zur Putinehrungden durch den ehemaligen Nomenklaturkader der SED, MP Stanislaw Tillich z.B:

http://www.karl-nolle.de/aktuell/medien/id/9555
http://www.karl-nolle.de/aktuell/medien/id/9540
http://www.karl-nolle.de/aktuell/presse/id/9547