Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 13.09.2011

Riesaer Finanzchef im Börsenstrudel

 
Riskante Finanzgeschäfte machten Kämmerer Markus Mütsch deutschlandweit bekannt. Hohe Verluste setzen ihn nun unter Druck.

Eigentlich hat Riesas Finanzbürgermeister Markus Mütsch (CDU) jetzt wenig zu lachen. Doch genau das tat er, gerade als die Linken-Fraktionschefin im Stadtrat Uta Knebel zu ihm sagte: „Der Schaden, den Sie angerichtet haben, ist so groß. Wollen Sie nicht von sich aus gehen? Oder müssen wir erst einen Abwahlantrag stellen?“ Mütsch lächelte nur müde.

Geldanlagen sorgen für Kritik

Der Grund für die Attacke waren Mütschs hochriskanten Zinssicherungs- und Zinsoptimierungsgeschäfte. Mit diesen sogenannten Swaps macht der Kämmerer die Riesaer Kredit-Zinszahlungen von Wetten auf Kursverläufe einer Währung abhängig. Ein längst zurückliegendes Geschäft bereitete den Stadträten dabei am meisten Bauchschmerzen, und zwar eines mit der Deutschen Bank. Das Geldhaus wurde genau wegen jener „CMS-Spread-Ladder-Swaps“ im März dieses Jahres vom Bundesgerichtshof zu einer Schadensersatzzahlung verurteilt. Ein hessischer Mittelständler hatte geklagt, weil er sich schlecht von der Bank beraten fühlte und deswegen Millionenverluste machte. Mütsch machte hingegen nach eigenen Aussagen einen Gewinn von 49.000 Euro und hatte das Geschäft rechtzeitig abgestoßen.

Die Unterlagen wurden in der vergangenen Wochen intensiv geprüft. Demnach hat das Geschäft mit der Deutschen Bank mit einem Ablösebetrag von knapp 1,3 Millionen Euro geendet. Ablösebetrag heißt im Klartext Verlust. Die Stadt hat die Wette gegen die Bank verloren. Das für die Ablöse benötigte Geld stamme aus dem Abschluss eines neuen Geschäftes, durch das der Stadt wiederum ein finanzieller Schaden entstehen könne.

Nach Prüfung der Unterlagen sei es für Riesaer Stadträte klar gewesen, dass ein Fachanwalt untersuchen solle, welche Möglichkeiten der Klage gegenüber der Deutschen Bank bestehen, um möglicherweise Schadensersatz einzufordern. Genau diese Empfehlung hatte in der Zwischenzeit auch das sächsische Innenministerium an seine Kommunen herausgegeben. Mütsch wollte das nicht.

Riesas Oberbürgermeisterin Gerti Töpfer (CDU) ist dem Wunsch der Stadträte mittlerweile nachgekommen. Sie kündigte an, dass Joachim Weck mit der Prüfung der Angelegenheit beauftragt werden solle. Das ist jener Anwalt, der im März das Gerichtsurteil gegen die Deutsche Bank erwirkt hatte. Allerdings sträubte sie sich anfangs dagegen, dass auch die anderen spekulativen Geschäfte von der Firma „Sachsen Asset Management“ (SAM) mittels eines kostenlosen Schnell-Tests überprüft werden.

Auch andere Städte betroffen

Der Grünen-Stadtrat Thoralf Koß sagte: „Aus unserem Finanzbürgermeister ist ein Börsenspekulant geworden. Daher ist jede Überprüfung sinnvoll.“ Schließlich willigte Gerti Töpfer ein. „Wenn es die Stadträte beruhigt, machen wir eben den Schnell-Test“, sagte sie. Dass Markus Mütsch in der Zwischenzeit mit der Deutschen Bank wegen eines Vergleichs gesprochen hatte, löste bei den Räten ein erneutes Stirnrunzeln aus. Gebracht habe das allerdings nichts, so Mütsch. „Die Bank spricht nicht darüber mit uns. Sie geht von einem Einzelfallurteil aus und freut sich schon auf die nächste Klage, damit sie das alles wieder ins rechte Licht rücken kann“, sagte Mütsch. Nach einer Recherche des MDR soll der Stadt Riesa durch Mütschs deutschlandweit bekannt gewordenen Finanzoptimierungsgeschäfte schon ein Schaden von 3,3 Millionen Euro entstanden sei. Mütsch bestreitet das. Die Rücktrittsforderung der Linken-Fraktion hat er bislang nicht beantwortet.

Das Problem riskanter Zinsgeschäfte mit großen Banken hat aber nicht nur Riesa. Nach einer unvollständigen Auflistung des Innenministeriums sind mindestens acht sächsische Städte und Kreise davon betroffen. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage des Dresdner SPD-Abgeordneten Karl Nolle hervor.

Ein Beispiel: Mittweida. Der alte Landkreis hat sich offensichtlich verzockt. Dem Rechtsnachfolger – das ist der Kreis Mittelsachsen – droht ein Verlust von rund drei Millionen Euro. Dabei startete der Deal vor fünf Jahren gut. Im Zuge eines Millionen-Darlehens wettete der Kreis sozusagen auf steigende Zinsen – um die eigenen Kosten für den Kredit zu senken. Mit Erfolg: Mittelsachsen sparte zunächst mehr als 100.000 Euro ein. Mit der Wirtschaftskrise änderte sich jedoch die Lage schlagartig. Zinsen gingen weltweit in den Keller. Die Kosten für die Zinsen des Kreises stiegen dagegen an.

Ähnliche Geschäfte haben unter anderen auch Falkenstein, Flöha und Radibor abgeschlossen. Die Risiken belaufen sich im Einzelfall auf bis zu knapp sechs Millionen Euro. Die Linke fordert mittels eines Landtagsantrags bereits ein Verbot solcher Zinswetten für sächsische Kommunen.
Von Robert Reuther und Thilo Alexe