Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 15.09.2011

Regierung keilt gegen den Datenschützer

 
In Sachsen bahnt sich ein Grundsatzstreit um den Datenschutz an. Nur fünf Tage nach einem kritischen Bericht des Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig zur massenhaften Abfrage von Handydaten von Demonstranten präsentierte das Innenministerium ein eigenes Gutachten. Darin erhebt der renommierte Verfassungsrechtler Ulrich Battis schwere Vorwürfe gegen Schurig.

„Das ist hart.“ Mit dieser Einleitung eröffnete der in Berlin lehrende Rechts-Professor gestern seine fundamentale Kritik: „Der Datenschutzbeauftragte hatte von Anfang an den falschen Standpunkt.“ Der hatte zuvor die Abfrage von mehr als einer Million Handydaten im Zuge von teils gewaltsamen Protesten gegen Neonazis in Dresden kritisiert. Polizei und Staatsanwaltschaft, konstatierte Schurig, hätten unverhältnismäßig agiert, Daten auf Vorrat und über einen Zeitraum von zwei Tagen gesammelt.

Battis konterte: Schurig habe mit seiner Kritik an Ermittlern auch Richter getroffen. Denn das Datensammeln – die Funkzellenabfrage – sei richterlich genehmigt gewesen. Damit überschreite Schurig seine Kompetenzen und verkenne das Prinzip der Gewaltenteilung. Der Datenschützer, der im Landtags-Auftrag handelte, übersehe, dass Gerichtsentscheidungen nur von höheren Gerichtsinstanzen korrigiert werden dürfen. Sprich: Greifen Dritte ein, ist die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet.

Dieser spannende Punkt wurde aber von anderen Aspekten überlagert. Battis verteidigte zunächst die Funkzellenabfrage als angemessen. Es gehe schließlich um die Aufklärung schwerer Straftaten wie Landfriedensbruch. In der Tat: Bei den Ausschreitungen waren Hunderte Polizisten und Demonstranten verletzt worden. Dann aber hinterfragte Battis den Umfang des Datensammelns: „Ich könnte mir schon vorstellen, dass man hier zu einer präziseren Form kommen könnte.“ Es sei aber nicht seine Aufgabe, die Arbeit der Dresdner Amtsrichter, die die Abfrage angeordnet hatten, zu bewerten.

Innenminister Markus Ulbig (CDU) verwies darauf, dass Sachsen im Bund auf schärfere Regeln für die Handyabfrage dränge. Er verwahrte sich gegen den Vorwurf, ein „Gegen-Gutachten“ in Auftrag gegeben zu haben. Schurigs Bericht werde ernst genommen.

Die Opposition sah das anders. Im Landtag – das Papier wurde am Rande einer Sitzung vorgestellt – kursierte die Lesart, Schurig solle nach seiner Kritik fachlich verunglimpft werden. Linken-Rechtsexperte Klaus Bartl sprach von einem abstrakten und wertlosen Gutachten. Johannes Lichdi (Grüne) betonte: „Der Bericht des Datenschutzbeauftragten ist in keiner Weise widerlegt.“ Sabine Friedel (SPD) wies darauf hin, dass Battis nicht alle notwendigen Dokumente kenne.

Schurig selbst reagierte äußerlich gelassen. Konflikte gehörten zu einem Prüfverfahren. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) äußerte sich dagegen scharfzüngig. „Die Vehemenz, mit der sich hier staatliche Organe Kritik verbitten, habe ich anderswo noch nie erlebt“, sagte er der „Zeit“.
Von Thilo Alexe