Karl Nolle, MdL

Agenturen dapd, 17:35 Uhr, 16.09.2011

Verfassungsrechtler sieht Verstöße bei Handydaten-Abfrage

Laut MDR stützte sich Experte auf interne Polizeiakten
 
Dresden (dapd-lsc). Die massenhafte Handydaten-Abfrage in Dresden war nach Ansicht des Verfassungsrechtlers Joachim Wieland rechtswidrig. In dem Fall seien Rechte von Abgeordneten, Geistlichen und Rechtsanwälten verletzt worden, sagte Wieland am Freitag dem MDR. Den Behörden sei vorab genau bekannt gewesen, an welchen Aktionen die Betreffenden teilnehmen würden. Dies hätte bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt werden müssen, erklärte der Rechtsexperte von der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer.

Nach MDR-Angaben stützt sich der Jurist bei seiner Einschätzung auf interne Polizeidokumente, die dem Sender nach eigenen Angaben vorliegen. Diese belegten, dass Polizei, Innenministerium und Staatsanwaltschaft Dresden schon Tage vor den Demonstrationen schriftlich Kenntnis davon erhielten, welche Politiker oder Pfarrer sich zu welchem Zeitpunkt an welchem Standort in Dresden aufhalten würden.

Der rechtspolitische Sprecher der Linke-Fraktion, Klaus Bartl, warf der Staatsanwaltschaft Dresden vor, bei der Beantragung der Funkzellenabfrage das zuständige Gericht womöglich getäuscht zu haben. Diese wichtigen Informationen über die Anwesenheit von Berufsgeheimnisträgern seien dem Ermittlungsrichter offenbar vorenthalten worden.

Im Februar waren in Dresden nach teils gewalttätigen Protesten gegen einen Neonazi-Aufmarsch mehr als eine Million Handydaten erhoben worden. Die Ermittler wollten auf diese Weise Straftäter ausfindig machen. Die umstrittenen Funkzellenabfragen waren von der Polizei angeregt und anschließend von der Staatsanwaltschaft beantragt und begründet worden. Amtsrichter hatten jeweils die Befugnisse erteilt.

Sachsens Datenschutzbeauftragter Andreas Schurig hatte das Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft in einem Sonderbericht scharf gerügt. Der Berliner Verfassungsrechtler Ulrich Battis warf Schurig daraufhin in einem vom Innenministerium in Auftrag gegebenen Gutachten vor, seine Kompetenzen überschritten zu haben. Seiner Ansicht nach war die massenhafte Abfrage auch noch verhältnismäßig. Kritik an Schurig kam auch aus den Reihen der Richterschaft. Schurig wies die Vorwürfe als nicht nachvollziehbar zurück.

dapd/lr/kos /1
161735 Sep 11