Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 25.10.2011

Liberale im Sinkflug

Erstmals seit ihrem Landtagseinzug liegt die FDP in einer Umfrage unter fünf Prozent. Die CDU reagiert nervös.
 
Die sächsische FDP sieht sich mit rapide sinkenden Zustimmungswerten konfrontiert: Stünden Landtagswahlen an, verpasste sie den Wiedereinzug ins Parlament deutlich. Auf gerademal zwei Prozent der Stimmen kommt die von Holger Zastrow geführte Partei – wie eine repräsentative Umfrage des Leipziger Instituts für Marktforschung im Auftrag der Leipziger Volkszeitung ergab.

Vor drei Jahren erzielten die Liberalen auch unter dem Eindruck der für sie positiven Stimmung im Bund zehn Prozent der Stimmen in Sachsen. Der drastische Verlust sorgt intern für Debatten, auch wenn die FDP-Spitze im Freistaat vor Dramatisierung warnt. Denn falls die Partei bei der Landtagswahl 2014 tatsächlich scheiterte, wäre das auch das Aus für die schwarz-gelbe Koalition.

„Dass wir derzeit bundesweit gesehen nicht in Bestform sind, ist bekannt“, sagt der sächsische FDP-Generalsekretär Torsten Herbst. Damit gibt er die Lesart vor: Der Bundestrend macht den Liberalen in Sachsen zu schaffen.

Ähnlich sieht das der Dresdner FDP-Bundestagsabgeordnete Jan Mücke, der auch parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium ist. Er bringt die Euro-Krise ins Spiel, die nach seiner Ansicht zum Stimmungstief beiträgt. In der sächsischen CDU nimmt man den Absturz des Koalitionspartners mit Nervosität zur Kenntnis – wenn das auch nach außen hin niemand zugibt. „Die sächsische FDP leidet unter den Bundes-FDP“, sagt Fraktionschef Steffen Flath. Ausführlicher will er die Umfragewerte nicht kommentieren. Intern äußern Christdemokraten Unmut. Die Liberalen, heißt es, agierten unter Zastrow zuweilen populistisch und schafften so Reizpunkte, die überflüssig seien.

Jüngstes Beispiel: der Solidaritätszuschlag. Zastrow, der auch FDP-Bundesvize ist, fordert öffentlichkeitswirksam dessen Abschaffung. Kurz darauf kontert Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU), dass er davon „wenig“ halte. Harmonie in der Koalition sieht anders aus.

Für Spannungen sorgt zudem die klare Absage Zastrows, gemeinsam mit Linken gegen einen Dresdner Neonaziaufmarsch zu demonstrieren. Vor allem jüngere CDU-Abgeordnete, aus deren Reihen Signale für Proteste in Sichtweite des Aufzuges kamen, reagierten empört.

Spannend ist die Frage, wie denn eine Regierung ohne FDP aussehen könnte. Nach wie vor Nummer eins – auch in der jüngsten Umfrage ist die sächsische Union. Sie verbucht gegenüber dem Wahlergebnis Zugewinne und kommt auf 44 Prozent der Stimmen. Doch SPD, Linke und Grüne erreichen vor allem dank Zuwachs bei der Ökopartei gemeinsam bereits 40 Prozent. Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau stichelt zielsicher: „Wir dürfen es nicht zulassen, dass die CDU mit der FDP in den politischen Wahnsinn abgleitet.“ Außer mit den Liberalen und der NPD sprächen die Grünen mit allen Parteien.

Die Liberalen in Sachsen jedenfalls wollen weitermachen wie bisher: mit einem von ihnen als bürgernah eingestuften Kurs. Auf der Agenda steht nun ein im Koalitionsvertrag vereinbartes Modellprojekt für flexiblere Öffnungszeiten von Kindertagesstätten. Zudem soll die Mittel- zur Oberschule weiterentwickelt werden – um mehr „Leistungs- und Chancengerechtigkeit“ zu erzielen.

Vieles hängt für die in den Regionen gut verankerte FDP davon ab, wie sehr sie Regierungshandeln als ihre Erfolge kenntlich macht. Denn die sächsische Regierungsarbeit, sagt Herbst, werde in Umfragen besser bewertet als die in Berlin.

Von Thilo Alexe