Karl Nolle, MdL

spiegel-online.de, 12:06 Uhr, 30.10.2011

Merkels Kehrtwende - CDU schwenkt auf Mindestlöhne um.

Jahrelang war das Thema Mindestlohn in der Union umstritten, jetzt vollzieht die Partei die Kehrtwende. Die CDU will sich auf ihrem Parteitag Mitte November für die allgemeine gesetzliche Lohnuntergrenze aussprechen.
 
Hamburg - In Leipzig soll der Kurswechsel beschlossen werden: Eine Beschlussempfehlung für den Parteitag im November sieht nach SPIEGEL-Informationen die Einführung von Mindestlöhnen vor. Die Partei halte es "für notwendig, eine allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze in den Bereichen einzuführen, in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert", heißt es in dem Antrag. Die Untergrenze solle durch eine Kommission der Tarifpartner festgelegt werden und sich "am Tarifabschluss für Zeitarbeitnehmer orientieren".

Vorbereitet haben den Antrag auf Wunsch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Karl-Josef Laumann, der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmer, und Michael Fuchs, Unions-Fraktionsvize und Leiter des Parlamentskreises Mittelstand. Die CDU-Politiker hatten sich laut "Welt am Sonntag" am Montag der vergangenen Woche nach einer Vorstandssitzung in der CDU-Parteizentrale getroffen und darüber verständigt, dass eine Kommission eine Untergrenze für Löhne festlegen soll.

Zugleich wird die Zeitarbeitsbranche aufgefordert, sich schnell auf eine Einarbeitungsfrist zu einigen, nach der Leiharbeiter den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaften in den ausleihenden Betrieben bekommen. Ansonsten soll die Bundesregierung im Frühjahr 2012 eine Kommission einsetzen, um diese festzulegen. In dieser Kommission sollen Vertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften sitzen. Aus dem Konrad-Adenauer-Haus hieß es am Sonntag, die Tarifparteien sollten stets die Hoheit bei der Festlegung von Lohnuntergrenzen haben, deren Autonomie solle nicht angetastet werden.

Verbindliche Untergrenzen notwendig

Es sei notwendig, eine allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze in den Bereichen einzuführen, in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert, hieß es. Bestimmen soll sie jeweils eine Kommission der Tarifpartner. Die Höhe soll sich am Tarifniveau der Zeitarbeit orientieren. Der Mindestlohn dieser Branche liegt bei 6,89 Euro im Osten und 7,79 Euro im Westen.

Die Einwände einzelner Branchenverbände, ein Mindestlohn könnte Arbeitsplätze vernichten, dürften bei der Diskussion auf dem Parteitag kaum noch Anhänger finden. Denn sechs erst jüngst von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen in Auftrag gegebene Studien belegen, dass ein solcher Zusammenhang nicht existiert. Wie die "Berliner Zeitung" berichtet, haben Forscher dafür acht Branchen untersucht, in denen bereits Mindestlöhne festgelegt sind. Darunter etwa das Bauhauptgewerbe, wo es seit 1997 Mindestlöhne gibt, das Elektro- und das Maler- und Lackiererhandwerk.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), dessen Präsident Wolfgang Franz ein entschiedener Gegner eines gesetzlichen Mindestlohns ist, nahm in diesem Zusammenhang das Dachdeckerhandwerk genauer unter die Lupe. Ergebnis: Fehlentwicklungen waren nicht festzustellen. Aber auch in den anderen untersuchten Fällen wurden die Forscher nicht fündig. In keinem einzigen Fall, konnten sie nennenswerte Folgen für die Zahl der Arbeitsplätze feststellen. Auch die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe hatte nicht gelitten.

Im Maler- und Lackiererhandwerk lobten die Befragten sogar die positiven Effekte für den Wettbewerb: Unseriöse Betriebe wurden aus dem Markt gedrängt.

mik/dpa