Karl Nolle, MdL

Agenturen, dpa, 14:54 Uhr, 18.11.2011

Leichenzug, Blitzkrieg oder Flaksturm - rechtsextreme Bands werben aggressiv. Im Fall der Neonazi-Terrorzelle gibt es einen bösen Verdacht.

Die Namen der Gruppen klingen martialisch und verraten meist schon den Ungeist, der dahintersteckt. Liefert CD Hinweise auf Morde der Neonazis?
 
Dresden (dpa) - Hat es möglicherweise in einem Musiktitel aus der rechtsextremen Szene schon vor mehr als einem Jahr einen Hinweis auf die jetzt offenbarte Mordserie der Neonazis gegeben? Sachsens Landeskriminalamt (LKA) sieht sich zu Unrecht dem Vorwurf ausgesetzt, entsprechende Hinweise übersehen zu haben. «Ja, wir haben eine CD begutachtet und einige Titel zur Indizierung vorgeschlagen. Der Titel "Döner Killer" befand sich nicht darunter, weil er keine strafrechtlich relevanten Inhalte enthielt», sagte eine Sprecherin des LKAs am Freitag.

Die Sachsen waren seinerzeit zum Gutachter geworden, weil die Chemnitzer Plattenfirma PC-Records das Album «Adolf Hitler lebt» der rechtsextremen Band namens Gigi & die Braunen Stadtmusikanten mit dem Song «Döner Killer» veröffentlichte hatte. In dem Lied macht sich die Band über die Erfolglosigkeit der Ermittler bei der Aufklärung der Morde an türkisch- und griechischstämmigen Geschäftsleuten lustig. Allerdings gibt es keinen direkten Hinweis auf den Täter, er wird in dem Liedtext als «Phantom» beschrieben. Angeblich soll der Song vor einem Jahr ein Hit in der Szene gewesen sein.

Das fragliche Lied wirft zugleich ein Schlaglicht auf die rechtsextreme Musikszene, in deren Texten es immer wieder mal um «Untermenschen» oder Adolf Hitler geht. Wenn Jugendliche in die Fänge Rechtsextremer geraten, geschieht das oft mit Begleitmusik entsprechender Szene-Bands - Leichenzug, Blitzkrieg oder Flaksturm sind nur einige davon. Der sächsische Verfassungsschutz widmet ihnen sogar ein eigenes Kapitel im jährlichen Bericht - notgedrungen: Denn nirgendwo gibt es nach Aussagen des Geheimdienstes so viele Konzerte rechtsextremer Bands wie in Sachsen, und das schon seit Jahren. 2010 waren es 41, im Jahr zuvor 34.

Die Bands treten meist im ländlichen Raum auf, die Großstädte werden in der Regel gemieden. Meist kommen zu den Auftritten nur zwischen 100 und 200 Zuhörer. Zu einem Konzert in Waldhufen (Oberlausitz) strömten im August 2010 allerdings etwa 2000 Leute. Und erst am vergangenen Wochenende versammelten sich im ostsächsischen Rothenburg mehr als 1300 Neonazis bei einem Konzert, berichtete das Kulturbüro Sachsen. Häufig werden die Auftritte konspirativ vorbereitet und durchgeführt. Der konkrete Ort wird in der Szene meist erst kurz vorher mitgeteilt - per SMS.

Stilistisch reicht das Spektrum rechtsextremer Musik von Punk und Rock über Metal bis hin zu Schlagern. Entlarvend wird es erst beim Text. Dabei gehen die Neonazis systematisch vor. Als dem NPD-Funktionär Jens Pühse in seinem Amt als Chef des NPD-Verlages Deutsche Stimme 2007 wegen Volksverhetzung und anderer Straftaten der Prozess am Landgericht Dresden gemacht wurde, war dem damals 35-Jährigen nur schwer beizukommen. In der Verhandlung hatte ein Beamter ausgesagt, dass Pühse die fraglichen CDs beim Staatsschutz vorher zur Begutachtung eingereicht hatte.

Auch wenn Songs wie «Unter dem Kragenkreuz» oder «Der Untermensch» laut Staatsanwaltschaft Hassgefühle gegen Ausländer provozieren, blieb der Versand fraglicher CDs für Pühse zunächst straffrei. Ein Teil des Urteils wurde erst später kassiert. Experten zufolge gehen die Rechtsextremen bei Texten äußert vorsichtig vor und lassen jede Textstelle lieber zweimal vom Anwalt prüfen. So erhalten auch jene Gesänge einen Persilschein, die von der NPD im Wahlkampf an Schüler verteilt werden und schon einen festen Namen haben: die Schulhof-CDs.

Autor: Jörg Schurig

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