Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 13.12.2011

Handydaten-Affäre: Linke ziehen vor Gericht

 
Dresden. Der Streit um die massenhafte Erhebung von Handydaten bei Anti-Neonazi-Demonstrationen am 19. Februar 2011 in Dresden ist um eine Facette reicher. Gestern reichten zwei von der Abfrage-Aktion betroffene Abgeordnete Anträge beim Amtsgericht Dresden ein, doppelter Tenor: Die Erfassung der Daten ist rechtswidrig, das solle nun das Gericht klären. Bei den Abgeordneten handelt es sich um die Linken-Politiker Rico Gebhardt und Falk Neubert, die an den Protesten teilgenommen hatten. Gebhardt ist gleichzeitig auch Landesvorsitzender der sächsischen Linken.

Ihr Anwalt André Schollbach bezeichnete den Vorstoß gestern als Pilot-Verfahren für alle betroffenen Demonstranten und Bürger. Denn klar ist, dass auch unbeteiligte Dresdner den Ermittlern ins hochtechnisierte Netz gegangen sind - wenn sie sich am 19. Februar in der Landeshauptstadt aufgehalten haben oder einfach dort wohnen. Schollbach sitzt selbst für die Linke im Dresdner Stadtrat und hatte im Vorfeld bereits mehrere Klagen rund um die Februar-Ereignisse eingereicht - erfolgreich übrigens.

Neubert kritisierte gestern das Vorgehen von Staatsanwaltschaft und Polizei. Die massenhafte Erfassung kriminalisiere den legitimen Protest gegen Neonazis und schrecke zukünftige Gegendemonstranten ab. Ähnlich wie zuvor Sachsens früherer Datenschützer Thomas Giesen nahm sich Schollbach vor allem das Gericht vor, das die Funkzellen-Abfrage gedeckt hatte. "Der zuständige Richter hat seine Arbeit nicht gemacht", sagte er.

Statt sich ein eigenes Urteil zu bilden, hat der Richter laut Schollbach den Text der Staatsanwaltschaft "einfach gegengezeichnet und jeden Kommafehler übernommen". Somit sei weder die Verhältnismäßigkeit noch die ermittlungstaktische Notwendigkeit ausreichend gewürdigt worden. "Das Gericht ist nicht das Sekretariat der Staatsanwaltschaft, sondern deren Kontroll- und Prüfinstanz", sagte Schollbach.

Am 19. Februar hatte die Polizei über einer Million sogenannter Verkehrsdaten erfasst. Betroffen waren insgesamt rund 320000 Telefonnummern und 55000 konkrete Personen.

Jürgen Kochinke