Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 13.12.2011

V-Leute in der rechten Szene - Spitzel, die für Schaden sorgen

Kommentar von Hans Leyendecker
 
Verfassungsschützer halten die V-Leute in der rechten Szene für notwendig, doch ihr Nutzen ist fraglich. So will von den zehn Morden der Zwickauer Terrorzelle keiner etwas mitbekommen haben - taugen die V-Leute nichts, oder steckte der eine oder andere sogar mit dem "Nationalsozialistischen Untergrund" unter einer Decke?

Zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge - und die 130 V-Leute, die sich angeblich in der rechten Szene tummeln, sollen von alledem nichts mitbekommen haben? Fragen wie diese wabern derzeit durch den Berliner Politikbetrieb. Taugen die V-Leute der Verfassungsschutzämter nichts, oder steckte der eine oder andere von ihnen sogar mit der Terrorbande "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) unter einer Decke? Und wenn sie nichts bringen, warum braucht man sie dann noch? Viele Fragen - und jede Antwort wirft neue Fragen auf.

Die Killer des NSU, das zumindest steht fest, haben sich konspirativ verhalten. Sie verwendeten Alias-Namen, hatten Deckadressen und falsche Papiere - und der Unterstützerkreis im Osten scheint verlässlich gewesen zu sein. "Gute Abschottung", sagt ein Verfassungsschützer, mache es Behörden schwer, "die überhaupt auf den Radarschirm zu bekommen". Das gelte "dann aber auch" für die V-Leute der Ämter.

Wenn allerdings Hinweise zuträfen, dass die Bande im Westen Unterstützer hatte, stelle sich die Frage "noch mal anders". Dann werde es "unwahrscheinlich, dass nie jemand etwas mitbekommen hat". Aber vieles sei noch Spekulation. Es gebe viele verstreute Daten, "die noch zusammengezogen und verwertet" werden müssten.

Um möglichst viel über die rechtsextremistische Szene zu erfahren, da sind sich die meisten Verfassungsschützer einig, brauche es weiterhin V-Leute. Man müsse rechtzeitig von geplanten Aktionen oder von Veranstaltungen erfahren und auch wissen, was in rechtsextremistischen Kreisen gedacht oder was vorbereitet werde. Ohne V-Leute sei das von den Behörden allein kaum zu leisten. "Es kommt aber darauf an, wie V-Leute eingesetzt werden, wie sie geführt und kontrolliert werden", sagt der Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, Manfred Murck. Es gibt interne Regeln über das richtige Führen von V-Leuten, aber die Einhaltung der Regeln wird oft ungenügend kontrolliert.

Doppelrolle, doppelter Schaden

Dass V-Leuten nicht völlig vertraut werden kann, ist eine alte Erfahrung. V-Leute tun so, als wären sie die einen, sind aber die anderen. Die Doppelrolle der Spitzel kann beim Staat für doppelten Schaden sorgen. Es gibt eine Menge Affären im Lande, die mit dem Gewese der V-Leute zu tun haben. Dass nach einem Fememord in Berlin der örtliche Nachrichtendienst die Tatwaffe verschwinden ließ und eine Aufklärung mit der Begründung verhinderte, ansonsten könnten operative geheime Mitarbeiter enttarnt werden, ist einer der großen Skandale aus diesem Milieu. Probleme gibt es auch, wenn die Spitzel, wie es immer wieder passiert, mit Wissen und Billigung der Ämter Straftaten begehen.

Der Umgang mit V-Leuten findet in Grauzonen statt, und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat sich am Montag erneut mit Blick auf das diskutierte NPD-Verbotsverfahren für einen Abzug der V-Leute aus dem Vorstand der NPD ausgesprochen.

Dass "viel zu viele V-Leute in der Szene sind", hat vor ein paar Wochen der frühere Verfassungsschutzchef und ehemalige BND-Präsident Hansjörg Geiger erklärt. Zudem gebe es in Deutschland 18 Ämter, die auf dem gleichen Feld zuständig seien. Der Föderalismus der Nachrichtendienste sei ein Problem.