Karl Nolle, MdL
Der Spiegel 51/2011 Seite 64, 17.12.2011
Zwickauer Trio: Demo in Dänemark
Sichergestellte Computer aus der Terror-WG liefern neue Hinweise auf Auslandsreisen des Zwickauer Trios.
Fühlten sich Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe wirklich so sicher? Waren sie so dreist, dass sie nach sieben Jahren im Untergrund noch einmal demonstrieren gingen, im Ausland zwar, aber doch unter hohem Risiko, entdeckt zu werden?
Auf den Computern, die die Ermittler in den Trümmern der konspirativen Wohnung in Zwickau sicherstellten, fand sich eine Videosequenz, die Filmaufnahmen eines „Rudolf-Heß-Gedenkmarsches“ in Dänemark zeigt. Unklar ist, wer die Bilder gemacht hat, aber die Fahnder prüfen nun, ob die drei Neonazis selbst vor Ort waren. Die Aufnahmen sind vom August 2005, als die Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) nach Erkenntnissen der Fahnder bereits zwei Sprengstoffanschläge und sieben Morde an Einwanderern begangen hatte.
Die 270 Gigabyte große, teilweise verschlüsselte Festplatte enthält außerdem Hinweise auf weitere Verbindungen oder Reisen des Trios ins Ausland; so untersuchen die Ermittler nun auch Spuren in die Schweiz, nach Portugal und nach Schweden. Dort haben die Terroristen möglicherweise an einer Demonstration teilgenommen, die örtliche Neonazis in Erinnerung an einen im Dezember 2000 getöteten Musiker einer rechtsextremen Band veranstaltet hatten.
Zusätzlich konnten die Ermittler eine Datei sichern, die zwischen 2001 und 2003 erstellt wurde und Namen von Personen enthält, die sich für das damals angestrebte NPD-Verbot ausgesprochen hatten. Wollte das Trio damit weitere Anschlagsziele identifizieren?
Wie sehr die Fahnder noch vor wenigen Jahren bei der Suche nach den Motiven der Mordserie danebenlagen, zeigt ein bislang unbekannter Vermerk des Bundeskriminalamts (BKA). In dem Papier („Nur zur internen Verwendung, nicht in Gerichts oder Verfahrensakten heften“) kam die BKA-Ermittlungsgruppe Ceska nach neun Morden im April 2006 zu dem Schluss, „nahezu alle Indizien“ deuteten darauf hin, dass die Opfer „in unterschiedlicher Funktion im Drogenhandel eingebunden waren“. „Politisch oder religiös motivierte Morde“, so das BKA, seien „eher unwahrscheinlich“. Vielmehr dürfte es sich „um sogenannte ,Bestrafungsmorde‘“ im Auftrag einer „vermutlich international organisierten“ Drogenhändlergruppierung handeln, die „jeweils professionell ausgeführt wurden“.
Unterdessen verdichten sich Hinweise auf eine mögliche Verbindung des NSU zu der rassistischen „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“. Neben dem mutmaßlichen NSU-Unterstützer Andre E. soll auch der am vorigen Sonntag verhaftete Matthias D. nach Verfassungsschutzerkenntnissen früher im Umfeld der Bruderschaft gesichtet worden sein. Zugleich ist eine weitere mutmaßliche Kontaktperson ins Visier der Ermittler gerückt. Parallel zur Verhaftung D.s durchsuchten Fahnder am 11. Dezember die Wohnung seines engen Freundes Frank S. – und stellten dort neben zwei Computern drei Bajonette, sechs Handys und einen Teleskopschlagstock sicher.
Sven Röbl, Holger Stark, Andreas Ulrich