Karl Nolle, MdL
spiegel-online, 17:44 Uhr, 18.12.2011
Urlaubsreisen des Präsidenten - Wulff nennt seine Gastgeber
Der Bundespräsident versucht es jetzt mit Transparenz. Über seine Anwälte ließ Christian Wulff eine Liste mit Urlaubsreisen veröffentlichen, die er in den Häusern wohlhabender Freunde verbrachte. Darauf taucht unter anderem der Aufsichtsratschef der Talanx-Versicherungsgruppe auf.
Hamburg - Bundespräsident Christian Wulff (CDU) hat eigenen Angaben zufolge in den Jahren 2003 bis 2010 insgesamt sechsmal in den Ferienhäusern von wohlhabenden Freunden Urlaub gemacht. Seine Anwälte teilten mit, der Bundespräsident habe sie gebeten, "sämtliche privaten Urlaube bei persönlichen Freunden offenzulegen". Die Liste der Urlaube im Wortlaut:
■In den Jahren 2003 und 2004 war die Familie Wulff jeweils einmal Gast der Familie Edith und Egon Geerkens in deren privaten Räumlichkeiten in Spanien.
■Im Jahr 2008 war das Ehepaar Wulff zu Gast bei dem Ehepaar Ingrid und Wolf-Dieter Baumgartl in deren privaten Räumlichkeiten in Italien.
■In den Jahren 2008 und 2009 besuchte Familie Wulff das Ehepaar Angela Solaro / Volker Meyer in deren privaten Räumlichkeiten auf Norderney.
■Zum Jahreswechsel 2009/2010 war die Familie Wulff in den privaten Räumlichkeiten der Familie Edith und Egon Geerkens in den USA.
■Bekannt sei zudem, "dass er (Christian Wulff) im Jahr 2010 ein Appartement in der Ferienanlage von Herrn Maschmeyer auf Mallorca gemietet hatte".
Keine der Reisen habe "Bezug zu seinen öffentlichen Ämtern" gehabt. Wulffs Verhalten stehe "uneingeschränkt in Einklang mit den Regelungen des niedersächsischen Ministergesetzes", so Wulffs Anwaltskanzlei.
Wolf-Dieter Baumgartl war lange Jahre Spitzenmanager in der deutschen Versicherungsbranche und ist heute Aufsichtsratsvorsitzender der Talanx-Gruppe. Der Multimillionär Carsten Maschmeyer ist der Gründer der Finanzvertriebsgesellschaft AWD.
Egon Geerkens hat sein beträchtliches Vermögen mit Immobilien, Schrott- und Schmuckhandel gemacht. Edith Geerkens hat Wulff seinen Angaben zufolge im Herbst 2008 einen Privatkredit über 500.000 Euro gewährt. Nach SPIEGEL-Informationen stammte das Geld allerdings mutmaßlich nicht von Edith, sondern in Wahrheit von Egon Geerkens. Nach Bekanntwerden der Urlaubsreise im Haus der Geerkens in Florida hatte es im niedersächsischen Landtag im Februar 2010 Nachfragen gegeben. Wulff hatte damals die Frage verneint, ob er Geschäftsbeziehungen zu Geerkens unterhalte.
Egon Geerkens hat auf mindestens drei Auslandsreisen zur Delegation Wulffs gehört. Die Reisen führten die Gruppe 2008 nach Indien und China sowie 2009 in die USA und nach Japan. Geerkens bestreitet, aus diesen Reisen - die er selbst bezahlt habe - einen Vorteil gezogen zu haben.
Die Frage ist derzeit, ob Wulff in irgendeiner Form gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen hat. Das "Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Landesregierung (Ministergesetz) in der Fassung vom 3. April 1979" regelt, was Mitglieder des Parlaments dürfen, und was eben nicht.
Unter Paragraf 5, Absatz 4 heißt es dort:
"Die Mitglieder der Landesregierung dürfen, auch nach Beendigung ihres Amtsverhältnisses, keine Belohnungen und Geschenke in Bezug auf ihr Amt annehmen. Die Landesregierung kann Ausnahmen zulassen. Sie kann diese Befugnis auf die Staatskanzlei übertragen."
Berechnungen haben ergeben, dass der Kredit für Wulff ein gutes Geschäft war. Laut dem Finanzrechtler Uwe Diekmann könnte das heutige Staatsoberhaupt von den günstigen Konditionen erheblich stärker profitiert haben als bisher bekannt. "Wenn der Kredit ohne Absicherung auf der Immobilie gewährt worden ist, sind vier Prozent kein üblicher Zinssatz. Ohne Sicherheiten wären acht bis zehn Prozent zu zahlen gewesen", sagte der Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft GDS Köln KG der "BamS". "Der Zinssatz von vier Prozent ist dann ein Freundschaftsdienst gewesen."
Auch dieser Vorwurf könnte für Wulff rechtlich relevant werden. Schließlich untersagen die Verwaltungsvorschriften, die das Ministergesetz ergänzen, niedersächsischen Beamten die
"Annahme von besonderen Vergünstigungen bei Privatgeschäften (z.B. zinslose oder zinsgünstige Darlehen, Berechtigungsscheine, Rabatte)".
Ein Privatkredit zu günstigeren Konditionen als sie eine Bank bietet, fällt unter diese Regelung - und wäre damit nicht zulässig.
Am Dienstag wird sich der Ältestenrat des niedersächsischen Landestags mit dem Vorfall befassen. Der Pressesprecher der Grünen in Niedersachsen Rudi Zimmeck sagte SPIEGEL ONLINE, alle Fraktionen im Landtag hätten dieser Regelung zugestimmt. "Die zentrale Frage ist, ob gegen das Ministergesetz verstoßen wurde - und ob das Ganze juristisch relevant ist", so Zimmeck weiter. In dem 17-köpfigen Ältestenrat sind Mitglieder aller Fraktionen entsprechend der Sitzverteilung im Landtag vertreten.
Anwälte wiegeln ab - Opposition übt Kritik
Wulffs Anwälte bestreiten die Anschuldigungen laut "Welt am Sonntag" vehement: "Abgesehen davon, dass hier kein 'Geschenk' vorlag, fehlte es an jeglichem Amtsbezug." Zudem sei es kein besonders günstiger Kredit gewesen, vielmehr sei das Darlehen "verkehrsüblich verzinst" worden.
Unabhängig von den rechtlichen Folgen für den Ministerpräsidenten erhöht die Opposition in der Debatte um den umstrittenen Privatkredit den Druck auf Wulff. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast hat Wulff eindringlich aufgefordert, rasch Klarheit zu schaffen. Der "Leipziger Volkszeitung" (Montagsausgabe) sagte Künast: "Die Regierung brennt lichterloh. Politik ist immer komplizierter. Und nun auch noch der Präsident." Die Bürger hätten "ein Recht zu wissen was war". Der Bundespräsident stehe nun in erheblicher Bringschuld, so Künast.
cis/jok/dpa