Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 16:06 Uhr, 23.12.2011

Der seltsame Abgang von Wulffs bestem Mann

 
Warum hat der Bundespräsident seinen Pressesprecher entlassen? Seit Jahren war Olaf Glaeseker der engste Vertraute Christian Wulffs. Im Zusammenhang mit der Kreditaffäre geriet auch er in den Fokus der Nachforschungen.

Berlin - Als Christian Wulff sein Bedauern über die Kreditaffäre im Schloss Bellevue vortrug, blickte er kurz vor Schluss vom Papier auf. Diese Zeilen seiner persönlichen Erklärung waren seinem Sprecher Olaf Glaeseker gewidmet. Er habe ihm "viel zu verdanken", es tue ihm leid, dass er sich von ihm habe "trennen müssen". Für die beruflichen Herausforderungen der Zukunft wünsche er ihm "alles erdenkliche Gute."

Mehr ist bis heute zu den Gründen des überraschenden Abgangs des 50-Jährigen aus dem Bundespräsidialamt nicht zu erfahren. Glaeseker, der bis zuletzt Kontakt zu Journalisten gehalten hatte, ist auf Tauchstation gegangen. Nur eine dürre Erklärung aus seinem Umfeld wurde über Agenturen gestreut: Nachdem sich die Nachforschungen in der Kreditaffäre Wulffs auch auf sein Privatleben erstreckt hätten, sei er nicht mehr bereit gewesen, das hinzunehmen. Das Bundespräsidialamt erklärte offiziell am Freitag lediglich: "Zur Personalie Olaf Glaeseker wird das Bundespräsidialamt vorerst keine weiteren Angaben machen."

Viele Fragen bleiben offen. Eine lautet: War Glaeseker ein Bauernopfer des Bundespräsidenten? Oder war er selbst so tief verwurzelt in das Hannoveraner Beziehungsgeflecht, dass aus Sorge vor weiteren journalistischen Recherchen ein Rückzug nun notwendig wurde? Glaeseker, der aus dem niedersächsischen Oldenburg stammt, war einst Journalist in Bonn, schrieb dort unter anderem für die "Augsburger Allgemeine", bevor er vor rund zwölf Jahren Wulffs engster Vertrauter wurde. Er hatte entscheidenden Anteil am Bild vom sympathischen Christian Wulff, der nicht in die üblichen politischen Ränkespielen verstrickt ist.

Glaeseker vermarktete Wulff

Er war es, der 2006 die Nachricht von der anstehenden Scheidung Wulffs von seiner damaligen Ehefrau diskret bei der "Bild"-Zeitung einfädelte - es erschien schließlich ein Bericht, in dem von einer gütlichen Trennung des Paares die Rede war. Von Hannover aus spielte Glaeseker eine entscheidende Rolle in der medialen Vermarktung Wulffs. Das tat er geschickt und mit Erfolg.

Doch wie in einer solchen Position üblich, hatte er nicht nur Freunde. Von manchen in und außerhalb Hannovers wurde schon seit längerem beobachtet, welch engen Kontakt Glaeseker auch zu Unternehmerfreunden Wulffs hielt. Mit der Affäre um den 500.000-Euro-Kredit, der über das Konto der Unternehmergattin Edith Geerkens an Wulff floss, rückte auch das nahe Umfeld des CDU-Politikers - und damit auch sein Sprecher - in den Fokus des Interesses.

So tauchten Fragen nach möglicherweise kostenlosen Urlauben in Spanien und Südfrankreich beim Partyveranstalter Manfred Schmidt und Flügen dahin auf, denen die Medien, darunter auch der SPIEGEL, nachgingen. Schmidt ist eine schillernde Figur in der Prominentenszene und hatte unter anderem eine private Feier in Berlin nach der Wahl Wulffs zum Bundespräsidenten im Juni 2010 organisiert.

Keine Antworten

Am Montag wurde dem Bundespräsidialamt vom SPIEGEL eine umfängliche Frageliste zu Wulff zugemailt, in der es unter anderem auch um Glaesekers frühere Reisen ging. Der Fragenkatalog wurde schließlich von Wulffs Anwalt Gernot Lehr beantwortet - eine konkrete Auskunft zu seinem Sprecher aber wurde mit dem schriftlichen Satz beschieden: "Wir vertreten nicht Herrn Olaf Glaeseker." Glaeseker selbst wurde zwei Mal persönlich schriftlich angefragt, zu bestimmten Fragen Stellung zu nehmen, zuletzt am 21. Dezember, also einen Tag vor seinem überraschenden Ausscheiden als Sprecher. Antworten gingen bis heute nicht ein.

Nach Recherchen des SPIEGEL könnte für Wulff seine enge Verbindung zu dem Party-Veranstalter Manfred Schmidt noch kritisch werden. Schmidt hatte den "Nord-Süd-Dialog" organisiert, eine Veranstaltungsreihe in den Jahren 2007 bis 2009. Für diese hatte neben Wulff der baden-württembergische Ministerpräsidenten Günther Oettinger die Schirmherrschaft übernommen.

Allein mit dem letzten "Nord-Süd-Dialog" im Dezember 2009 soll Schmidt mehrere hunderttausend Euro verdient haben, die Sponsoren für die Veranstaltung bereitgestellt hatten. Am Einwerben dieser Sponsorengelder soll die Staatskanzlei in Hannover beteiligt gewesen sein, was Wulff allerdings bestreitet.

Schmidt besitzt in Südfrankreich und in Spanien Immobilien, unter anderem im südfranzösischen Banyuls-sur-Mer. Dort soll Glaeseker, damals noch als Regierungssprecher Wulffs, kostenlos Urlaub gemacht haben. Auf detaillierte Fragen des SPIEGEL antwortete auch Schmidt bislang nicht.

Von Michael Fröhlingsdorf und Severin Weiland
Mitarbeit: Annett Meiritz