Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 10.05.2001

"Ein schwarzer OB für Dresden"

Die etwas anderen Seiten des Wahlkampfes
 
DRESDEN. Heute Abend lässt sich OB-Kandidat Ingolf Roßberg im Kabarett bei "Vorsicht Thiel" verladen. Doch die besten Lachnummern zum Wahlkampf gibt`s frei Haus.

An der Schauburg bleiben die Passanten stehen. "Ein schwarzer OB für Dresden", wird dort auf Plakaten gefordert. Nein, kein CDU-Mann. Den haben wir schon. Ein richtiger Schwarzer! Das mitgelieferte Bild lässt keinen Zweifel. Amadu Baldé, so der Bekenner-Name darunter, will kandidieren.

Im Rathaus, Zimmer Wahlvorschläge, hat man von einem schwarzen Amadu noch nichts gehört. Auch der Ausländerrat zuckt mit den Schultern, hält aber gleich eine politische Erklärung parat.

Weit gefehlt, wie sich später in der Äußeren Neustadt herausstellt. Die Plakate entpuppen sich als schwarzer Humor. Amadu Baldé betreibt ein kleines Lebensmittelgeschäft auf der Louisenstraße. "Viele meiner Kunden sind unzufrieden", sagt er. "Sie wollen mit der Aktion zeigen, dass sie mit dem jetzigen OB keine Zukunft sehen." Tatsächlich antreten, versichert der 36-Jährige aus Guinea, werde er nicht.

Auch Möchte-Gern-Kandidat Peter Flache musste jetzt einen Rückzieher machen. Die Behörden zeigten für seine Art von Humor einfach kein Verständnis. Der freiberufliche Künstler leiht bei Radio Dresden ABM-Kraft Horst seine Stimme. Die Kultfigur ist Facharbeiter für Durchlaufzonenbewachungstechnik (Pförtner) und Gewinner beim Wettbewerb "Erkenne Dein Bier". "Horst gehören die Sympathien, weil er nichts tut", sagt Flache. Insofern habe er als Horst kandidieren wollen und schon für die nötigen Unterschriften gesorgt. Pech für Horst: Im Rathaus sollte er sich mit bürgerlichem Namen outen. Kabarettist Flache: "Das war mir dann doch nichts."

Für einen Treppenwitz halten viele Dresdner inzwischen auch eine Berghofer-Kandidatur. Morgen will sich der Ex-Dresdner endlich erklären. Am Montag läuft die Bewerbungsfrist im Rathaus ab. Und wenige Tage später, am 21. Mai, erscheint das Berghofer-Buch.


Wahlparty: Ein Autogramm als Eintritt

Die anderen OB-Bewerber rühren unterdessen mehr oder weniger ernst die Werbetrommel. Der 23-jährige Kornel Szecsenyi brachte bis gestern erst 44 von 240 Unterstützungsunterschriften zusammen. Heute lädt er zwischen Albertplatz und Rathaus zur großen Open-Air-Party. Eintritt: Ein Autogramm.

Konkurrentin Friederike Beier lockt mit Sekt oder Selters für alle, die sich am Montagnachmittag im Rathaus auf ihre Liste setzen. Mit 128 Flaschen hätte sie ausgesorgt.

Bürgerinitiativ-Mann Ingolf Roßberg (FDP) weiß die nötigen Unterstützer schon in der Tasche. Jetzt tourt er mit der SPD, mit der seine Partei im Stadtrat im Clinch liegt, durch die Stadtteile. Gestern starteten die Sozialdemokraten ihren Roßberg-Wahlkampf, klebten am Wettiner Platz das erste Anti-Wagner-Plakat. 1 500 folgen - gedruckt von Fast-Kandidat Karl Nolle. Zentrales Thema: der Zustand der Schulen. SPD-Chefin Marlies Volkmer: "Mit Wagner dauert die Sanierung 40 Jahre. Roßberg kann's in zehn."

Möglicherweise kommt kurz vor Toresschluss ein weiterer Kandidat hinzu. Die Freien Bürger wollten einen eigenen Mann nominieren, konnten sich aber auf ihrer Vorstandssitzung nicht einigen. "Es gab Bedenken, weil bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen Wagner gegen Roßberg jede Stimme zählt", sagt Freier Bürger Franz-Josef Fischer. Nur ob man bei einem Verzicht auf einen Freien Kandidaten Wagner oder doch lieber Roßberg unterstützt, das weiß man noch nicht.
(Katrin Saft)