Karl Nolle, MdL
Agenturen, dapd, 12:20 Uhr, 11.01.2012
Doktorvater schämt sich für Roland Wöller
Wirtschaftshistoriker distanziert sich von Sachsens Kultusminister wegen dessen Dissertation
Dresden (dapd-lsc). Der Doktorvater des sächsischen Kultusministers Roland Wöller distanziert sich erstmals öffentlich von dem CDU-Politiker wegen dessen umstrittener Dissertation. «Wöller hat den Boden unter den Füßen verloren», sagte der Wirtschaftshistoriker Ulrich Kluge der Wochenzeitung «Die Zeit». Wie das am Donnerstag erscheinende Blatt vorab weiter berichtet, hält Kluge den Minister für einen «Scharlatan» - unabhängig von der Tatsache, dass die Technische Universität Dresden das Plagiatsverfahren gegen Wöller im Dezember eingestellt hat.
Kluge hatte als ehemaliger Inhaber der Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Philosophischen Fakultät der TU Dresden Wöllers Arbeit betreut. Der mittlerweile emeritierte Wissenschaftler bezeichnete es laut Zeitung als «ein Armutszeugnis», dass die Hochschule nur eine Rüge gegen ihren einstigen Promovenden Wöller ausgesprochen hatte, er den Doktortitel aber behalten durfte. Wäre es nach ihm gegangen, so Kluge, hätte Wöller seinen Doktortitel verloren.
2008 hatte eine erste und interne Universitätskommission beanstandet, dass Wöller Teile einer fremden Magisterarbeit ohne Quellenangabe in seine Doktorarbeit übernommen hatte, und diese Arbeitsweise als «bedenklich» bewertet. Im Juli 2011 wurden erneut Plagiatsvorwürfe gegen Wöller im selben Fall laut. Die TU Dresden ließ Wöllers Arbeit erneut begutachten und entschied Ende Dezember, ihm seinen Doktorgrad zu belassen - allerdings mit der Bemerkung: «Nicht hinsichtlich aller Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten lässt sich eine Vereinbarkeit mit wissenschaftlichen Standards bejahen.»
Wöller hatte seine Promotionsschrift 2002 eingereicht. Bei der Erstbegutachtung waren dem Doktorvater laut Zeitung keine Unsauberkeiten aufgefallen. Als im Jahr 2007 Vorwürfe laut wurden, Wöller habe aus einer lange zuvor erschienenen Magisterarbeit plagiiert, überprüfte der Doktorvater die Dissertation erneut. Daraufhin sei er zu dem Schluss gekommen, Wöller habe unredlich gearbeitet, so Kluge. Deshalb habe er dem Minister in einer Mail mitgeteilt: «Ich schäme mich für Sie.»
dapd/grk/vf/
111220 Jan 12