Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 14.01.2012

Streitfall Schuldenbremse: Kontroverse in der SPD droht zu eskalieren

Vorpreschen der CDU taktisch motiviert
 
Dresden. Der Streit innerhalb der sächsischen SPD um ein Schuldenverbot in der Landesverfassung droht zu eskalieren. Nachdem Landesvize Eva-Maria Stange sich rigoros gegen das Ja von SPD-Chef Martin Dulig zur Schuldenbremse ausgesprochen hatte, geht nun die zweite Reihe in die Offensive. Und auch hier ist das Bild ähnlich: Die SPD ist gespalten, der Riss geht durch die gesamte Partei - die CDU reibt sich die Hände.

Am Anfang stand ein kleiner Vorstoß von Steffen Flath. Beim Thema Haushaltskonsolidierung, meinte der CDU-Fraktionschef Mitte November, habe Sachsen mittlerweile eine führende Position in Deutschland. Dieser Kurs müsse fortgesetzt werden, "das erwarten auch andere Bundesländer von uns". Und deshalb wolle die schwarz-gelbe Koalition eine Schuldenbremse in der sächsischen Verfassung verankern. Damit war das Feld eröffnet, die Opposition muss sich positionieren. Denn klar ist: Ohne Stimmen aus deren Reihen geht es nicht - weil jede Verfassungsänderung einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedarf.

Das ist vor allem für die Sozialdemokraten ein Problem. Während die Grünen mit ihrer wertkonservativ-libertären Klientel weniger Probleme mit einer Schuldenbremse haben, stürzt dies die traditionell sozial eingestimmte SPD in akute Nöte. Ablesbar ist das an der beinharten Kontroverse zwischen Landeschef Dulig und seiner Stellvertreterin Stange. Während der eine der Verankerung einer konditionierten Schuldenbremse offen gegenüber steht, lehnt die andere dies als "Hausfrauenreflex" ab (diese Zeitung berichtete). Begründung: Mit einem solchen Verbot gebe die Politik ein entscheidendes Steuerungsinstrument für Krisenzeiten aus der Hand - eine Art Selbstentmachtung auf kaltem Wege.

Diese Kontroverse durchzieht die gesamte Partei. Das zeigt sich auch in der Landtagsfraktion, wo SPD-Generalsekretär Dirk Panter gegen den Finanzpolitiker Mario Pecher steht. "Wir können über eine Verfassungsänderung reden", sagt Panter und stellt sich damit klar hinter Dulig. Voraussetzung sei aber, dass es dabei nicht nur um die Schuldenbremse, sondern ein ganzes Paket geht - die Ausstattung der Kommunen zum Beispiel. Anders ist die Position von Pecher. "Ein Verschuldungsverbot ist so unnötig wie ein Kropf", meint er und unterstützt so Stange. Begründung: In Sachsen existiere bereits ein Verschuldungsverbot, festgeschrieben in der Haushaltsordnung, alles weitere sei nur ein schwarz-gelber Trick.

Für diese Lesart spricht einiges. Denn die Schuldenbremse wird bundesweit sowieso in acht Jahren kommen, das Vorpreschen der CDU ist eher taktisch motiviert. Das räumen selbst Christdemokraten hinter vorgehaltener Hand ein. Dabei verweisen sie auf einen kleinen Nebeneffekt: Die Koalition kann die Opposition damit prima vor sich hertreiben - vor allem die SPD.
Das liegt an der Brisanz des Themas, das - Stichwort EU-Krise - in der Bevölkerung hochemotional diskutiert wird. Wer dagegen ist, steht als Schuldentreiber am Pranger. Und selbst wenn das Verschuldungsverbot im Parlament an den Sozialdemokraten scheitert, bliebe der CDU ein Plan B: die Klärung der Frage per Bürgerentscheid. Und ganz nebenbei könnte sie die Opposition dann im Wahlkampf 2014 als Schuldenmacher vorführen.

Von Jürgen Kochinke