Karl Nolle, MdL
Agenturen, dpa, 16:51 Uhr, 18.01.2012
Linke fordert mehr Informationen zu Neonazi-Trio
Täglich sickern neue Details zur früheren Fahndung von Polizei und Verfassungsschutz nach dem Neonazi-Trio in die Öffentlichkeit. Die Landtagsopposition beklagt, nicht ausreichend informiert zu sein.
Erfurt (dpa/th) - Während immer weitere Details über die frühere Fahndung nach dem Neonazi-Trio bekannt werden, will die Linke-Landtagsfraktion von der Regierung mehr Informationen. Das Innenministerium müsse den Abgeordneten mindestens seine Zuarbeit für einen bisher geheimen Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur Verfügung stellen, forderte Fraktionschef Bodo Ramelow am Dienstag. Der MDR Thüringen berichtete am Dienstag unter Berufung auf diesen Bericht, dass das 1998 untergetauchte Trio intensive Kontakte zu der später verbotenen Neonazi-Organisation «Blood & Honour» gehabt habe.
Bei zwei Abhöraktionen hätten Ermittler des Landeskriminalamtes Hinweise bekommen, dass der untergetauchte Uwe Böhnhardt im Jahr 2000 Verbindung zu Chemnitzer Aktivisten dieser Gruppe aufgenommen habe. Demnach verdächtigten die Polizei-Ermittler im September 1998 auch den Chef der sächsischen «Blood&Honour»-Sektion, Waffen für die drei aus Thüringen stammenden Neonazis zu beschaffen. Sie sollen bis 2011 zehn Menschen ermordet haben und für mehrere Banküberfälle und Sprengstoffanschläge verantwortlich sein.
«Blood&Honour (Blut und Ehre)» wurde in Deutschland im Jahr 2000 verboten. Das in den 80er Jahren in England entstandene Netzwerk wollte vor allem die Skinhead-Szene durch Musik politisch beeinflussen. Der deutsche Ableger entstand 1994 und hatte zum Zeitpunkt des Verbots rund 200 Mitglieder. Danach gab es immer wieder Razzien bei mutmaßlichen Nachfolgeorganisationen. Eine Klage gegen das Verbot scheiterte 2001, weil sie zu spät beim Bundesverwaltungsgericht einging. Ein loses Netzwerk «Combat 18» gilt als bewaffneter Arm der Gruppe. Aktivitäten in Deutschland waren vor allem durch eine Großrazzia in Norddeutschland 2003 bekannt geworden.
Ramelow kritisierte, dass den Abgeordneten der Bericht nicht vorliege, obwohl ihn inzwischen mehrere Medien hätten. «Wenn er Medien vorliegt, müssen ihn frei gewählte Abgeordnete doch auch haben», sagte er. Der Linken-Abgeordnete kritisierte außerdem, dass sich das Innenministerium in Ausschüssen ungerechtfertigt oft hinter den Ermittlungen des Generalbundesanwalts «verstecke» und Informationen verweigere. Die Grünen-Faktion sah sich durch die Veröffentlichungen in ihrer Forderung nach einem Untersuchungsausschuss bestätigt. Am Nachmittag wollten sich auch der Ältestenrat des Landtags und voraussichtlich auch die Parlamentarische Kontrollkommission für den Verfassungsschutz mit dem Thema befassen.
Ein Sprecher des Landtags erklärte, dass es keine Strafanzeige gegen Abgeordnete wegen eines Verdachts auf Geheimnisverrat geben werde. Die CDU-Abgeordnete Beate Meißner hatte dies im Dezember angeregt, weil Informationen aus vertraulichen Sitzungen an die Öffentlichkeit gelangt seien. Der Landtagssprecher verwies dagegen darauf, dass «so viele Informationen auch aus anderen Quellen in der Öffentlichkeit waren, dass sie sich nicht zuordnen ließen.»
Autor: Christian Schneider
dpa cct yyth z2 ju
171651 Jan 12