Karl Nolle, MdL

DNN, 18.01.2012

Sachsensumpf-Prozess: Angeklagter mit Maulkorb

Im Verfahren gegen einen ehemaligen Verfassungsschützer wurde am Amtsgericht Dresden die Anklage verlesen
 
Dresden (DNN). Angeklagte haben das Recht zu schweigen. Aber nicht die Pflicht. Normalerweise. Sein Mandant müsse schweigen, meinte der Berliner Rechtsanwalt Christian Noll gestern am Amtsgericht Dresden. Wenn der Angeklagte reden würde, dann könne er sich einer Straftat schuldig machen - eines neuerlichen Verrats von Dienstgeheimnissen. Nolls Mandant ist ehemaliger Referatsleiter im Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen und benötigt eine Aussagegenehmigung von seinem früheren Arbeitgeber. Weil beim LW aber alles so geheim ist, bekam der 42-jährige Angeklagte nur eine eingeschränkte Lizenz zum Reden. „Damit ist eine sinnvolle Verteidigung nicht möglich", befand sein Anwalt.

Richter Ullrich Stein will nun das Landesamt um eine uneingeschränkte Aussagegenehmigung für den Angeklagten ersuchen. „Wenn sie nicht erteilt wird, müssen wir weitersehen", erklärte er und vertagte den Prozess auf den 26. Januar. „Ich bitte Sie: Eine Einlassung ist das vornehmste Recht des Angeklagten", sagte Noll, „wenn sich mein Mandant nicht umfassend äußern kann, müssen wir abbrechen." Im Prinzip, so der Anwalt, mache sich der Angeklagte ja schon strafbar, wenn er seinem Anwalt etwas über dienstliche Abläufe im UV verrate.

Genau das aber müsse er, weil ihm Geheimnisverrat vorgeworfen wird. Der ehemalige LfV-Mitarbeiter soll 2006 brisante Akten an den Schriftsteller Jürgen Roth übergeben haben. Bei einem Treffen in Plauen habe der Referatsleiter die Papiere, die angeblich die Existenz korruptiver Netzwerke in Sachsen belegen, über den Tisch wandern lassen. Roth regten die Dokumente zu seinem Buch „Anklage unerwünscht" an - von nun an war der „Sachsensumpf" in aller Munde.

Weil die Dokumentenübergabe in Plauen stattgefunden haben soll, so Noll in einem weiteren Antrag, dürfe das Verfahren gegen den 42-Jährigen gar nicht am Amtsgericht Dresden verhandelt werden. „Plauen ist zuständig." Ist es nicht, meinte Stein. Es gelte der Dienstsitz der Behörde - Dresden.

Stein durfte die Verhandlung leiten, weil ein zum Prozessauftakt gegen ihn gestellter Befangenheitsantrag (DNN berichteten) zurückgewiesen wurde. Staatsanwalt Christian Kohle verlas gestern die Anklage, immerhin. Zu den Prozessbeobachtern zählt auch das politische Schwergewicht Karl Nolle. Der SPD-Landtagsabgeordnete erklärte gegenüber DNN: „Als Obmann des Untersuchungsausschusses zum Sachsensumpf will ich auf dem Laufenden bleiben."

Thomas Baumann-Hartwig