Karl Nolle, MdL

tagesschau.de, 24.01.2012

Kritik an Beobachtung der Linkspartei durch Verfassungsschutz

Überwachung von Abgeordneten "unerträglich"
 
Nach Berichten über die Beobachtung zahlreicher Abgeordneter der Linkspartei nimmt die Kritik am Vorgehen des Bundesamtes für Verfassungsschutz weiter zu. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte der "Süddeutschen Zeitung", die Arbeit frei gewählter Bundestagsabgeordneter dürfe nicht durch den Verfassungsschutz beeinträchtigt werden.

"Wenn es tatsächlich wahr ist, dass langjährige Bundestagsmitglieder bis hin zur Bundestagsvizepräsidentin überwacht werden, wäre das unerträglich", sagte sie dem Blatt. Weiter riet sie dem Verfassungsschutz, nach der Pannenserie um die Zwickauer Zelle "seine Arbeit und seine Schwerpunkte überdenken".

"Überrascht über die hohe Zahl der Beobachteten"

Auch Vertreter von SPD und den Grünen kritisieren das Vorgehen des Verfassungsschutzes. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse nannte es ein "Unding", dass prominente Politiker beobachtet würden. Er könne nicht erkennen, dass Politiker wie Gregor Gysi oder Petra Pau verfassungsfeindlich agierten, sagte er der "Berliner Zeitung". Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, nannte das Vorgehen des Verfassungsschutzes absurd. Das Parlament benötige einen Schutzmechanismus, damit die Exekutive nicht die Legislative ausforsche.

Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach, forderte das Bundesamt für Verfassungsschutz auf, die Beobachtung von Politikern der Linkspartei im Einzelfall zu begründen. "Wer sich in der Partei eine Kommunistische Plattform hält, darf sich nicht wundern, dass es eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz gibt", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung".

Bosbach über hohe Zahl der Abgeordneten überrascht

Allerdings sei er über die "hohe Zahl" der beobachteten Abgeordneten überrascht gewesen, so Bosbach weiter. Allein die Mitgliedschaft in der Partei Die Linke reiche für eine Überwachung nicht aus.

Die Linkspartei kündigte an, dass sie sich politisch und juristisch gegen die Beobachtung durch die Nachrichtendienste zur Wehr setzen werde. Parteichef Klaus Ernst hat von der Bundesregierung Auskunft über mögliche V-Leute in seiner Partei verlangt. Schon am Montag stellte er eine entsprechende Parlamentarische Anfrage. Er will wissen, wie viele Verbindungsleute für das Bundesamt für Verfassungsschutz und die 16 Landesämter tätig sind.

27 von 76 Abgeordneten im Blick des Verfassungsschutzes

Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte am Wochenende berichtet, dass der Verfassungsschutz 27 der 76 Bundestagsabgeordneten der Linkspartei beobachtet, darunter fast die gesamte Fraktionsspitze um Gysi und die Bundestagsvizepräsidentin Pau. Laut einer Aufstellung des Bundesinnenministeriums seien sieben Verfassungsschutzmitarbeiter mit der "Bearbeitung der Partei Die Linke" beschäftigt. Jährlicher Kostenpunkt seien 390.000 Euro. Zum Vergleich: für die NPD werden zehn Mitarbeiter eingesetzt, die Kosten hierfür betragen 590.000 Euro.

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte dagegen, die Beobachtung von Politikern der Linkspartei sei nach wie vor durch bestimmte Teile des Parteiprogramms gerechtfertigt.