Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 13:31 Uhr, 25.01.2012

Zwickauer Zelle: Razzia bei mutmaßlichen NSU-Helfern

 
 In Sachsen haben Beamte des Bundeskriminalamts Wohnungen von mutmaßlichen Komplizen der rechtsterroristischen Zwickauer Zelle durchsucht. Die vier Tatverdächtigen sollen Waffen und Sprengstoff für die Rechtsradikalen besorgt haben.

Hamburg - Seit Montagmorgen haben mehr als 100 Beamte des Bundeskriminalamts in Zusammenarbeit mit der Bundesanwaltschaft in mehreren Ortschaften nahe Chemnitz, Dresden, dem Erzgebirge und Jena Wohnungen durchsucht. Ermittelt wird gegen vier Personen, die Sprengstoff und Schusswaffen für die mutmaßlichen Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) besorgt haben sollen.

Zudem werden zwei Geschäftslokale eines der Beschuldigten in Sachsen sowie drei weitere Wohnungen in Thüringen und Baden-Württemberg durchsucht.

Zwei der Tatverdächtigen sollen mindestens bis 1998 Kontakt zu der Gruppe um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gehabt und ihnen Sprengstoff und eine Schusswaffe zur Verfügung gestellt haben. Es besteht der Verdacht, dass sie dem NSU auch in der Folgezeit logistische Unterstützung zukommen ließen. Einer der vier stammt aus dem Umfeld von Ralf Wohlleben und soll 2002 oder 2003 eine Pumpgun für die Zwickauer Zelle beschafft haben. Zur Identität der vier Personen ist bisher nichts bekannt. Bisher ist kein Haftbefehl ergangen.

Der NSU soll verantwortlich sein für eine Mordserie an neun Personen türkischer und griechischer Herkunft in den Jahren 2000 bis 2006. Außerdem wird ihnen ein Mordanschlag auf zwei Polizisten am 25. April 2007 in Heilbronn zur Last gelegt. Auch die Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sollen von der NSU geplant worden sein. Um ihre Straftaten und das Leben im Untergrund zu finanzieren, sollen die Rechtsradikalen zudem mehrere Banken überfallen haben.

Die mutmaßlichen Terroristen Böhnhardt und Mundlos hatten sich am 4. November selbst getötet. Der Professorensohn Mundlos galt als intellektueller Kopf der Gruppe, Böhnhardt als gewaltbereiter Waffennarr. Die einzige Überlebende des Trios, die 36-jährige Beate Zschäpe, sitzt in Untersuchungshaft. Sie schweigt bisher zu den Vorwürfen. Außerdem wurden vier mutmaßliche Unterstützer des Trios in U-Haft genommen, darunter der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben.

Nahezu unbehelligt von den Sicherheitsbehörden lebte die Gruppe mehr als 13 Jahre im Untergrund. Der rechtsextremistische Hintergrund der Mordserie war erst nach zehn Jahren durch Zufall entdeckt worden. Als Konsequenz aus den Ermittlungspannen in dem Fall will der Bundestag am Donnerstag einen Untersuchungsausschuss einsetzen.

Das elf Mitglieder umfassende Gremium soll unter anderem prüfen, wie die Sicherheitsbehörden künftig effektiver gegen Rechts vorgehen können. Auch sollen Ermittlungspannen und Fehler im Sicherheitssystem des Bundes aufgedeckt werden. Vier Mitglieder kommen aus der Union, drei aus der SPD, zwei aus der FDP, und jeweils eines von Grünen und Linkspartei. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) kündigte an, ein "Informations- und Kompetenzzentrum" gründen zu wollen, in dem auch die zivilgesellschaftlichen Kräfte zur Bekämpfung des Rechtsextremismus gebündelt werden sollen.

ala/dpa/dapd