Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 22.02.2012

Polizeiminister gegen Polizeipräsident

Beide streiten sich offiziell über die Privatnutzung eines Dienstwagens. Dabei geht es um viel mehr.
 
Es ist eine ungewöhnliche Gemengelage: In Sachsen streiten Landespolizeipräsident Bernd Merbitz und sein Dienstherr Innenminister Markus Ulbig (CDU) über die Abrechnung von Privatfahrten, die Merbitz mit seinem Dienstauto unternommen haben soll. Es geht um 6.500 Euro, die von Merbitz als Nachzahlung verlangt werden. Weil der die Forderung für unberechtigt hält, klagte er am 9. Dezember 2011 vor dem Verwaltungsgericht Dresden. Dessen Entscheidung steht noch aus.

Doch mit jedem neuen Detail wird offenbar, dass dahinter mehr steckt als ein Streit ums Geld. Die Auseinandersetzung ist vielmehr der vorläufige Höhepunkt eines internen Machtkampfs, bei dem Innenstaatssekretär Michael Wilhelm der Dritte im Bunde ist. Ein Kampf, der die Arbeit des Ministeriums schon seit Monaten belastet. Merbitz als hemdsärmliger Kumpel jedes Straßenpolizisten gegen die einflussreiche Ministerialbürokratie. Der Ausgang ist offen.

So erhebt nun Anwalt Joachim Schulteloh, der Merbitz im Rechtsstreit vertritt, wiederum Vorwürfe gegen das Ministerium. Entgegen der Vorschrift, Fahrtenbücher quartalsweise zu kontrollieren, habe es im Fall des Landespolizeipräsidenten über zwei Jahre keine Kontrollen gegeben, sagt er. Als diese plötzlich rückwirkend für die Jahre 2007 bis 2009 erfolgten, sei das nachteilig für seinen Mandanten gewesen. Der sei 30.000 Kilometer pro Jahr mit dem Dienstauto unterwegs, sodass es ihm auf die Weise schwer gemacht wird, im Nachgang detailliert Auskunft zu jeder Einzelfahrt zu geben. Zudem präsentiert Schulteloh Beispiele, die seiner Meinung nach völlig zu Unrecht als Privatfahrt angesehen werden. Darunter eine sonntägliche Tour zum Polizeiorchester, wo Merbitz eine Rede hielt, Fahrten in den Landtag am Volkstrauertag oder zu Treffen mit Abgeordneten. Merbitz führt auch Fahrten nach Leipzig im Zusammenhang mit dem Mordfall Michelle auf, bei denen er sich abends im nahen Wohnort Naunhof absetzen ließ, statt zuvor zurück zur Dienststelle in Dresden zu fahren.

Heikle Personalentscheidung

Für Wirbel sorgt zudem ein Disziplinarverfahren, das Merbitz vor anderthalb Jahren gegen sich beantragte, um die Vorwürfe zu entkräften. Dieses wurde im August 2011 eingestellt – mit der Aufforderung, die Fahrtenbücher künftig besser zu führen. Erteilt wurde nur eine beamtenrechtliche Rüge, die harmloseste Form von Kritik und nicht zu verwechseln mit einer Strafe. Dennoch machten gestern nach einer ungeschickten Äußerung von Minister Ulbig Meldungen die Runde, dass ein neues Disziplinarverfahren gegen Merbitz läuft. Das ist nicht korrekt. Weil Merbitz gegen die Rüge in Widerspruch ging, gilt das alte Verfahren lediglich als formal noch nicht beendet.

Bis das Gericht entscheidet, wird dieser Machtkampf nun munter anhalten. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle, dessen Hinweise die Debatte auslösten, warnt bereits vor einer Dienstwagen-Affäre, an deren Ende der Rücktritt von Merbitz steht. Doch der dürfte andere Pläne haben.

Noch dieses Jahr muss die Staatsregierung über die Verlängerung seiner fünfjährigen Amtszeit entscheiden. Ein Votum, das Merbitz’ Kritiker im Innenministerium unbedingt verhindern wollen. Am Ende wird das aber nicht nur eine fachliche, sondern vor allem eine politische Entscheidung. Immerhin ist Polizeipräsident Merbitz auch Mitglied im CDU-Landesvorstand.

Von Gunnar Saft