Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 18:07 Uhr, 23.02.2012

Ex-NPD-Mann besorgte Mordwaffe der Terrorzelle

 
Ermittler der Bundesanwaltschaft haben rekonstruiert, wie die Zwickauer Terrorzelle an die Waffe kam, mit der sie neun Einwanderer ermordete. 2500 Mark zahlte das Trio für die Ceska, eine Schlüsselrolle bei der Beschaffung spielte der kürzlich verhaftete Ex-NPD-Funktionär Carsten S.

Berlin - Die Bestellung, die Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos aus dem Untergrund bei ihren Unterstützern an der Oberfläche aufgaben, war so knapp wie präzise: Eine schussbereite Handfeuerwaffe müsse her, und zwar eine mit Schalldämpfer. Ende 1999 wurde das gewünschte Mordinstrument, konstruiert zum lautlosen Töten, dann geliefert. Nach Ermittlungen der Bundesanwaltschaft holte es der damals 19-jährige Neonazi Carsten S. bei einem Gesinnungsgenossen in Thüringen ab und übergab es Uwe Böhnhardt, der sich mit seinen beiden Komplizen seinerzeit in einer konspirativen Wohnung im sächsischen Chemnitz versteckte.

Zur Übergabe trafen sich Carsten S. und Böhnhardt in einer Filiale von McDonald's in Chemnitz. In einem Abbruchhaus in der Nähe soll die Waffe anschließend weitergereicht worden sein. Mit der Pistole soll S. nach Erkenntnissen von Ermittlern 50 Schuss Munition übergeben haben. Die 2500 Mark, die die Waffe kostete, kamen angeblich von Ralf Wohlleben, einem späteren Funktionär der NPD.

In den folgenden sieben Jahren wurden mit der Pistole des Typs Ceska 83, Kaliber 7,65 mm Browning, neun Einwanderer ermordet. Doch erst im vorigen November konnten Fahnder die Waffe finden - im Schutt der zerstörten Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße, dem letzten Unterschlupf der Terroristen.

Nachdem Kriminaltechniker die ausgefeilte Seriennummer der Ceska wieder sichtbar gemacht hatten, konnten Spezialisten der "Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Trio" des BKA jetzt den Weg der Waffe weitgehend rekonstruieren - und der Beweiskette gegen die Terrorzelle ein wichtiges Glied hinzufügen.

Carsten S. soll die Beschaffung der Waffe eingeräumt haben

Den Ermittlungen zufolge ging die Ceska vom Hersteller in Tschechien 1993 zunächst an den damals im Schweizer Kanton Solothurn ansässigen Waffenhändler Jan L., der die schallgedämpfte Pistole in Waffenzeitschriften für 1250 Schweizer Franken feilbot und laut seinem Waffenverkaufsbuch an den Schweizer Anton G. verschickte.

G. wiederum, so soll er inzwischen vor eidgenössischen Ermittlern ausgesagt haben, habe die Pistole samt Waffenbesitzkarte an Herrn M., einen Stammtischbekannten, weitergegeben.

Aus der Schweiz gelangte die Pistole nach Deutschland und landete offenbar über Zwischenhändler aus dem kriminellen Millieu schließlich in Jena, bei einem polizeibekannten Thüringer Neonazi. Von diesem soll Carsten S. die Waffe dann im Auftrag des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) erworben und zu Uwe Böhnhardt gebracht haben.

Nach SPIEGEL-Informationen soll Carsten S., der vor wenigen Wochen verhaftet wurde, inzwischen umfangreich ausgesagt und die Beschaffung und Weitergabe der Ceska eingeräumt haben. Sein Verteidiger mochte sich gegenüber dem SPIEGEL zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern.

Carsten S. beschaffte die Waffe - von den Taten will er nichts gewusst haben

In einer Mitteilung schreibt er: "Unter anderem hat mein Mandant (...) wahrscheinlich zwischen Herbst 1999 und Frühjahr/Sommer 2000 eine Handfeuerwaffe samt Schalldämpfer an das 'Trio' geliefert. Hierbei handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um besagte Ceska 83, welche wohl bei den später begangenen Tötungsdelikten zum Einsatz kam." Die Beschaffung der Waffe sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als "noch keine der später bekannt gewordenen Straftaten begangen waren".

Carsten S. habe bis Anfang November 2011 keine Kenntnis davon gehabt, dass das "Trio" Straftaten geplant oder durchgeführt habe, so sein Anwalt.

Bereits vor seiner Verhaftung hatte der frühere NPD-Funktionär Carsten S., der zuletzt bei der Aidshilfe in Düsseldorf arbeitete und sich für die Rechte von Schwulen engagierte, verbreiten lassen, dass er bereits 2000 aus der rechten Szene ausgestiegen sei.

An diesem Donnerstag teilte die Aidshilfe mit, dass das Arbeitsverhältnis in Absprache mit B. beendet wurde. Dies sei in gegenseitigem Einvernehmen geschehen.

Vor dem Hintergrund der neuen Ermittlungen stellt sich indes die Frage, warum der mutmaßliche Waffenbeschaffer nach seinem Szene-Ausstieg nie - und sei es anonym - einen Hinweis auf die Pistole und das Trio gegeben hat. Immer wieder hatten Medien über die Mordserie an Migranten berichtet und spätestens seit Juni 2005 auch die Ceska als Mordwaffe genannt.

Von Holger Stark, Sven Röbel und Jörg Diehl