Karl Nolle, MdL

Agenturen, dapd, 15:56 Uhr, 06.03.2012

Frühere «Sachsensumpf»-Zeuginnen als Angeklagte vor Gericht - Prozess in Dresden kurz nach Beginn vertagt - Ex-Zwangsprostituierte wollen bei ihren Angaben bleiben Dresden

 
(dapd-lsc). Wegen Verleumdung müssen sich seit Dienstag zwei ehemalige Zwangsprostituierte des einstigen Leipziger Kinderbordells «Jasmin» vor dem Dresdner Amtsgericht verantworten. Weil sie zum Auftakt zunächst keine Angaben machten, wurde der Prozess kurz nach Verlesung der Anklageschrift vertagt. Zeugen waren für den ersten Verhandlungstag nicht geladen. Der Prozess, der unter großem Medien- und Zuschauerinteresse begann, soll nun am 4. Oktober fortgeführt werden.

Den beiden 35-jährigen Frauen wird vorgeworfen, bei Ermittlungen zum sogenannten Sachsensumpf Anfang 2008 unwahre Angaben zu früheren Bordellbesuchern gemacht zu haben. Demnach machten sie geltend, auf Fotos ranghohe sächsische Justizbeamte wiedererkannt zu haben. Die betroffenen Juristen weisen diesen Vorwurf strikt zurück und stellten Strafanzeige.

Am Rande des Verfahrens machten die angeklagten Frauen deutlich, dass sie bei ihrer Darstellung bleiben wollen. «Es wird keinen Deal geben», sagten Mandy K. und Beatrix E. übereinstimmend.

Wegen der angeblichen Sachsensumpf-Affäre war Sachsen vor fünf Jahren in die Schlagzeilen geraten. Dabei ging es um mögliche Verstrickungen von hohen Amtsträgern in kriminelle Geschäfte. Eine zentrale Rolle spielte dabei auch das Leipziger Bordell. Die Vorwürfe stammten aus einer Aktensammlung der Verfassungsschützer. Externe Prüfer kamen später zum Ergebnis, dass es sich dabei überwiegend um Gerüchte handelte. Vorermittlungen gegen die von den Frauen belasteten Justizbediensteten wurden eingestellt.

Zwtl: Blumen für die Angeklagten

Bereits im Jahr 2000 hatte es Ermittlungen gegeben, die sich nach Angaben der Justiz aber nicht bestätigten. Dennoch wollten die nun angeklagten Frauen auch bei ihrer zweiten Zeugen-Vernehmung 2008 die Juristen als ehemalige Freier auf Fotos wiedererkannt haben.

Einer der Männer war zum Prozessauftakt selbst erschienen. Zur Begründung seines Strafantrags verwies der 72-Jährige darauf, dass er seit Jahren «durch den Dreck gezogen» werde. Er erwarte eine Verurteilung.

Für die beiden angeklagten Frauen gab es zum Auftakt des Prozesses Sympathiebekundungen. Vertreter des Vereins Karo, der im sächsischen Plauen seinen Sitz hat und sich mit der Prostitution an der deutsch-tschechischen Grenze auseinandersetzt, erschienen mit Blumensträußen für die Angeklagten zur Verhandlung.

Die beiden Frauen waren in dem Bordell vor dessen Schließung im Jahr 1993 zur Prostitution gezwungen worden. Der Betreiber wurde seinerzeit festgenommen und später zu vier Jahren Haft verurteilt.

Mandy K. hatte bereits 2009 in Dresden in einem Untersuchungsausschuss des Landtages zu dem Fall Angaben gemacht. Sie hatte frühere belastende Angaben wegen des laufenden Verfahrens nicht ausdrücklich wiederholt. Sie wundere sich aber, «dass die Angaben der Zuhälter für glaubwürdiger gehalten wurden als ihre eigenen», hatte sie ausgesagt.

Von Michael Bartsch

dapd/mba/K2570/lr/jfr
061556 Mrz 12