Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 26.04.2012

Drohen Wöller nun Ermittlungen?

 
Der Ex-Kultusminister soll Lehrer am Haushalt vorbei eingestellt haben. Seine Nachfolgerin und der Finanzminister sprechen öffentlich von einem Rechtsbruch. Das könnte Folgen haben.

Im Streit um fehlende Lehrerstellen und ein mangelhaftes Bildungspaket für Sachsens Schulen haben sich Kultusministerin Brunhild Kurth (parteilos) und Finanzminister Georg Unland (CDU) jetzt für einen Tabubruch entschieden: Erstmals kritisieren zwei amtierende Staatsminister öffentlich die Arbeit eines früheren Kabinettsmitglieds und ehemaligen Kollegen – konkret, die von Roland Wöller (CDU), der erst im März als Kultusminister zurückgetreten war.

Und die Vorwürfe in Wöllers Richtung sind gewaltig. Sie können für ihn und seine ehemaligen Mitarbeiter am Ende sogar juristische Konsequenzen haben. So distanzieren sich Kurth und Unland vor allem scharf von Wöllers Entscheidung aus dem Jahr 2011, angesichts des akuten Lehrermangels im Freistaat mehr Pädagogen einzustellen, als zu diesem Zeitpunkt im Landeshaushalt vorgesehen war. Auf einer Pressekonferenz am Dienstag war sowohl von einem „Rechtsbruch“ die Rede als auch von „direkten Haushaltsverstößen“ und einem „vorschriftswidrigen“ Handeln.

Zwar wurde Wöllers Name dabei nicht ausdrücklich genannt. Allein, als damaliger Ressortchef trägt er für die aufgelisteten Mängel – sollten sie sich tatsächlich bestätigen – auch im Nachhinein die volle Verantwortung. Das wissen Kurth und Unland natürlich. Umso schwerer wiegt deshalb ihre rüde Attacke.

Politischer Flurschaden

In Zahlen umgerechnet steht damit immerhin der Vorwurf im Raum, dass Wöller Haushaltsmittel in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags nicht gesetzeskonform eingesetzt hat. Bei solchen Dimensionen dürfte auch die Justiz hellhörig werden. Auf Anfrage bei der Dresdner Staatsanwaltschaft gab es dazu gestern zunächst Prinzipielles. „Bei möglichen Ermittlungen gegen ehemalige Regierungsmitglieder wäre Dresden Tatort und damit wir zuständig“, bestätigte Sprecher Lorenz Haase. Und er ergänzte, falls es sich bei öffentlichen Vorwürfen nicht allein um Formulierungen handelt, die in einer politischen Auseinandersetzung fallen, sei grundsätzlich auch jederzeit eine Vorermittlung durch die Staatsanwaltschaft möglich.

In der Regierungszentrale selbst wartet man ebenfalls ab. Eine Sprecherin informierte gestern aber, dass bereits disziplinar-rechtliche Prüfungen gegen „mehrere verantwortliche Mitarbeiter“ im Kultusministerium eingeleitet wurden. Wöller ist nicht dabei, weil er als Ex-Minister nicht mehr der Zuständigkeit der Staatsregierung untersteht. Unterdessen droht zusätzlich noch ein großer politischer Flurschaden.

Der CDU-Schulexperte Thomas Colditz, der der Regierung zuletzt mehrfach öffentlich vorwarf, das Thema Lehrermangel auszusitzen, ist fassungslos über das Agieren der neuen Kultusministerin. „Statt nach vorn zu schauen, tritt sie ihrem Vorgänger nach. Das ist menschlich enttäuschend.“ Für ihn erkläre sich das nur so, dass man „eine Legende brauchte, warum plötzlich Geld da ist, was man Wöller nicht geben wollte“. Die „Verbrechen“, derer man ihn bezichtige, hätten der Sicherung des Unterrichts gedient und wären allen bekannt gewesen. „Sonst wäre uns der Laden um die Ohren geflogen.“ Als bisherige Chefin der Bildungsagentur kenne Frau Kurth die Zusammenhänge.

Von Gunnar Saft und Carola Lauterbach