Karl Nolle, MdL

sueddeutsche.de, 03.05.2012

Terrorzelle NSU: Zschäpes Haftbedingungen verbessern sich

 
Anfangs war Beate Zschäpe im Gefängnis bespuckt, beschimpft und bedroht worden. Doch mittlerweile haben sich die Haftbedingungen der mutmaßlichen Rechtsterroristin offenbar normalisiert. Sie trifft sich regelmäßig mit einer Mitgefangenen. Allerdings: Ihre Einzelzelle will Zschäpe behalten und reden möchte sie offenbar auch nicht.

Die Haftbedingungen für die in Köln-Ossendorf einsitzende mutmaßliche Terroristin Beate Zschäpe haben sich normalisiert. Die angebliche Mitgründerin der Terrorvereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU), die anfangs nur einmal am Tag allein eine Stunde Hofgang hatte und dabei von einigen Mitgefangenen bespuckt, beschimpft und bedroht worden war, trifft sich inzwischen regelmäßig mit einer Mitgefangenen.

Wie aus Justizkreisen verlautet, ist der 37 Jahre alten Zschäpe vor kurzem ein so genannter Umschluss erlaubt worden. Dabei hat eine Gefangene die Möglichkeit, eine andere Gefangene in deren Zelle zu besuchen. Auch soll Zschäpe inzwischen gute Kontakte zu weiteren Gefangenen haben. Sie will aber, wie aus Justizkreisen verlautet, ihre Einzelzelle behalten.

Die besonderen Sicherheitsbestimmungen für die Frau, die Ende Januar 1998 mit den Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt abgetaucht war und 13 Jahre lang verschwunden blieb, waren schon vor einer Weile gelockert worden. Anfangs hatte in Zschäpes Zelle 24 Stunden am Tag das Neonlicht gebrannt, weil die gebürtige Jenaerin angeblich suizidgefährdet war; ein Beamter hatte in unregelmäßigen Abständen durch den Spion in die Zelle geschaut und geprüft, ob die Gefangene noch lebte. "Das hat sich alles sehr beruhigt", sagt ein mit den Haftverhältnissen vertrauter Beamter.

Die Ermittler der Sonderkommission "Trio" der Bundesanwaltschaft und des Bundeskriminalamts gehen derzeit nicht davon aus, dass Zschäpe, die bislang zu den Vorwürfen gegen sie keine Stellung genommen hat, in absehbarer Zeit eine Aussage machen wird. Es ist sogar unklar, ob sie nach einer Anklage in einem Prozess reden wird oder nicht.

Nach bisherigem Stand muss Zschäpe mindestens mit einer Anklage wegen schwerer Brandstiftung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung rechnen. Möglich ist aber auch, dass ihr Beihilfe oder Mittäterschaft bei allen zehn Morden der NSU vorgeworfen wird. Zwar ist die 37-Jährige nach bisherigem Ermittlungsstand an keinem der Tatorte gewesen, an denen ihre mutmaßlichen Komplizen gemordet haben sollen, aber die Ermittler gehen davon aus, dass sie logistische Aufgaben erledigt und innerhalb des Trios eine gleichberechtigte Stellung gehabt habe.

Insgesamt ermittelt die Bundesanwaltschaft derzeit gegen dreizehn 13 Beschuldigte; sechs von ihnen sitzen in Untersuchungshaft. In den nächsten Wochen erwarten die Strafverfolger, die im Spätherbst die Anklagen fertiggestellt haben wollen, die eine oder andere Haftbeschwerde. Im Fall der mutmaßlichen Rechtsterroristin Zschäpe hatte der Bundesgerichtshof im Februar die erste Haftbeschwerde verworfen und sich in einem 13-seitigen Beschluss die Ermittlungsergebnisse der Bundesanwaltschaft zu eigen gemacht. Am stärksten belastet ist im Moment neben Zschäpe der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, der in Wuppertal einsitzt. Er soll der Gruppe früh geholfen haben, an Waffen zu kommen, darunter an die Pistole der Marke Ceska, mit der neun Migranten ermordet wurden. Er muss derzeit mit einer Anklage wegen Beihilfe zu zehn Morden rechnen.

Ähnliches droht dem 32-jährigen Carsten S., der zwar im Jahr 2000 die Beziehung zu sämtlichen rechten Kameraden abbrach, aber kurz vor dem Ausstieg den Terroristen die Ceska übergeben haben soll. Er stand damals in engem Kontakt zu Wohlleben.

"Eine Pistole mit Schalldämpfer ist eine Mordwaffe"

Besonders belastend ist aus Sicht der Ermittler, dass zu der Ceska auch ein Schalldämpfer gehörte. "Eine Pistole mit Schalldämpfer ist eine Mordwaffe" sagt ein Fahnder. "Eine solche Waffe braucht man nicht für gewöhnliche Überfälle". Der Schalldämpfer bewirkt gewöhnlich eine Verfremdung des Knalls, der von der Umwelt nicht mehr als schusstypisch wahrgenommen wird. Carsten S., der 2003 von Thüringen ins Rheinland zog und vorwiegend in sozialen Organisationen arbeitete, hat in diesem Verfahren so umfassend ausgepackt wie nur noch der mutmaßliche Unterstützter Holger G.

Durch die Aussagen von Carsten S. haben die Ermittler neue Einblicke in die Frühphase der Terrorvereinigung erhalten. Der 32j-ährige hat die Marke Ceska zwar auf Fotos wiedererkannt, kann sich aber nicht an einen Schalldämpfer erinnern. Ein Gutachter prüft, ob für den damals 19-Jährigen Jugendstrafrecht in Frage kommen könnte. Dann müsste er nicht mit den anderen Beschuldigten vor Gericht erscheinen. Mit der Expertise des Psychiaters wird im Mai gerechnet.

In den nächsten Tagen soll Carsten S., der ebenso wie Zschäpe und der mutmaßliche Unterstützer Holger G. in Köln einsitzt, noch einmal nach Thüringen gebracht werden. Er hatte nach der Flucht des Trios im Jahr 1998 Sachen aus der Wohnung der Neonazis geholt und vergraben. Die Beamten der Sonderkommission konnten bislang das Versteck nicht finden. Carsten S. soll ihnen bei der Suche helfen.

Von Hans Leyendecker