Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 08.05.2012

Geheimdienst hatte Kontakt zu Terrorhelfern

 
Ein Schreiben des Verfassungsschutzes an das Bundeskriminalamt belegt erfolglose "operative Vorgänge" im NSU-Umfeld.

Dresden - Der sächsische Verfassungsschutz hat "operative Vorgänge" zu drei Personen geführt, die Ermittlern jetzt als Unterstützer des Terror-Netzwerks "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gelten. Das geht aus einem internen Bericht hervor, den das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) im November 2011 ans Bundeskriminalamt (BKA) sandte. Trotz der "Kontakte" zu diesen "Zielpersonen" gelang es dem Geheimdienst nicht, die untergetauchten Jenaer Bombenbauer Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zu finden.

Das der "Freien Presse" vorliegende Schreiben ist auf den 24. November 2011 datiert, den Tag, an dem der mutmaßliche Terror-Helfer André E. (32) in Haft ging. Er soll geholfen haben, das Bekennervideo zur bundesweiten Mordserie an neun Migranten zu erstellen. Computerprotokolle belegen, dass das Video 2007 letztmals bearbeitet wurde. André E.s "operative Bearbeitung" durch den Geheimdienst fand 2003 statt und gipfelte in einem "Informationsgespräch", in dem man ihn als Quelle zu gewinnen suchte. E. habe damals behauptet, sich von der Szene losgesagt zu haben, und weitere Gespräche abgelehnt. Die Maßnahme wurde eingestellt, schrieb LfV-Vizechef Olaf Vahrenhold ans BKA.

Auch Mandy S. (36), die Frau, die dem Terror-Trio 1998 in der Chemnitzer Wohnung ihres Freundes den ersten Unterschlupf gewährte und Beate Zschäpe zu einem ihrer Tarnnamen verhalf, wurde 2001 vom Geheimdienst angesprochen. Auch sie habe behauptet, sich von der Szene abgewandt zu haben, und weitere Kontakte mit dem Geheimdienst abgelehnt, so das LfV. Sie wolle keinen verraten, argumentierte Mandy S.

Zu dem Chemnitzer Jan W. (37), Veranstalter von Skinhead-Konzerten, suchte das Landesamt schon vor dem Abtauchen des Terror-Trios Kontakt. 1995 lehnte W. weitere Gespräche ab. Die Maßnahme endete. Unter längerer Beobachtung stand er danach offenbar nicht, denn nach jetziger Kenntnis wurde W. später von den Terroristen beauftragt, eine ihrer ersten Waffen zu besorgen.

Sachsens LfV-Chef Reinhard Boos bestätigt die Authentizität des Schreibens ans BKA, doch tritt er dem Vorwurf entgegen, man habe die Beobachtung Verdächtiger ohne weitere Nachforschungen eingestellt. "Menschliche Informationsquellen kann man nicht mit Zwang erschließen", sagt er, doch gebe es "andere Formen der Beobachtung".

Patrick Schreiber (CDU), Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses im sächsischen Landtag, will das Schreiben nicht kommentieren, da Boos und Vahrenhold noch als Zeugen vorgeladen sind. Kerstin Köditz, Extremismus-Expertin der Linkspartei, indes bezeichnet es als "Skandal", als sie von der "Freien Presse" mit dem Inhalt des Schreibens konfrontiert wird. Neben den drei mutmaßlichen Terror-Helfern sind dort noch vier weitere Kontaktpersonen des LfV aus dem NSU-Umfeld genannt. Als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission erfahre sie nun mit fünfmonatiger Verspätung, dass Personen vom LfV als "mutmaßliche Kontaktpersonen" des Trios verdächtigt wurden, kritisiert die Abgeordnete.

Von Jens Eumann und Hubert Kemper