Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 07:32 Uhr, 24.05.2012

Angriff auf die Kanzlerin - Trittin droht mit Veto gegen Fiskalpakt

 
Die Warnung kommt unmittelbar vor dem Treffen mit der Kanzlerin - und sie ist deutlich: Jürgen Trittin fordert von Angela Merkel massive Korrekturen an ihrem Plan für einen Fiskalpakt. Andernfalls würden die Grünen ihre Zustimmung verweigern.

Berlin - Es dürften spannende Gespräche werden am Donnerstagnachmittag in Berlin. Die Kanzlerin trifft sich mit den Spitzen von SPD und Grünen, um über ihre Pläne für einen europäischen Fiskalpakt zu debattieren. Vorher hat Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin die Position seiner Partei unmissverständlich klar gemacht. "Ohne Zustimmung der Grünen in Bundesrat und Bundestag wird der Fiskalpakt nicht ratifiziert", drohte Trittin.

Die Kanzlerin müsse ihren finanzpolitischen Kurs dringend korrigieren. Mit ihrem "einseitigen Sparkurs" habe Merkel Deutschland "weltweit isoliert." Zugleich sprach sich Trittin für einen Einstieg in gemeinsam ausgegebene Euro-Anleihen aus. Merkels dogmatisches Nein zu gemeinsamen Euro-Bonds "blockiert die Beendigung der Krise", sagte Trittin der "Rheinischen Post". Die Euro-Bonds sind vor allem zwischen Frankreich und Deutschland umstritten. Die Bundesregierung lehnt die gemeinsamen Anleihen strikt ab.

Laut Trittin ist nun ein Schuldentilgungspakt als Schritt hin zu gemeinsamen Anleihen notwendig. "Der Schuldentilgungspakt verbindet intelligent die Vorteile niedriger Zinsen durch gemeinsame europäische Anleihen mit Abbau von Schulden. Die gemeinsame Haftung wäre in der Höhe und zeitlich begrenzt."

Trittins Forderungen haben einiges Gewicht, denn die schwarz-gelbe Koalition ist auf Stimmen der Opposition angewiesen um in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit für ihre Pläne zu erhalten. Doch noch liegen Regierung und Opposition in ihren Plänen weit auseinander. SPD und Grüne fordern für eine Zustimmung unter anderem weitere Wachstumsimpulse sowie konkrete Schritte für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

Steinbrück rechnet mit Verzögerung

Sogar der Zeitpunkt für die Abstimmung ist umstritten. SPD und Grüne plädieren für eine späteres Votum des Bundestages - getrennt vom Beschluss über den im Juli startenden Euro-Rettungsschirm ESM. Die Koalition will dagegen beide Verträge im Paket vor der Sommerpause verabschieden.

Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) rechnet mit einer Verzögerung des EU-Fiskalpakts für mehr Haushaltsdisziplin. Der Zeitplan sei nicht mehr zu halten, sagte Steinbrück. "Frau Merkel weiß seit mindestens vier Monaten, dass sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Deutschen Bundestag und im Bundesrat braucht", sagte Steinbrück.

Er warf der Kanzlerin mangelndes Tempo vor: "Sie hat in meinen Augen sträflich viel Zeit vergeben, um sich mit den Bundesländern über die Auswirkungen des Fiskalpaktes auf ihre Finanzlagen zu einigen und auch der SPD Angebote zu machen, weil sie die SPD für eine Mehrheitsbildung im Deutschen Bundestag braucht." Daher wundere er sich über das zeitliche Management.

"Mal hören, welche Vorstellungen Merkel hat"

Ursprünglich sollte Merkels Prestigeprojekt bis zur Sommerpause verabschiedet werden. Steinbrück rechnet dagegen mit Verhandlungen den ganzen Juni hindurch. "Ich glaube nicht, dass Deutschland den Fiskalpakt vor dem Herbst ratifizieren kann."

Zusammen mit dem Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und dem Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier habe er Vorschläge gemacht, wie der Fiskalpakt durch Wachstumsimpulse mit Blick auf die extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit in einen mediterranen Ländern ergänzt werden könnte.

"Ansonsten sind wir ganz neugierig, mal zu hören, welche Vorstellungen denn Frau Merkel hat, welche Angebote sie hat, um eine Mehrheitsbildung hinzukriegen", sagte Steinbrück. "Der Ball ist in ihrem Spielfeld", sagte der mögliche SPD-Kanzlerkandidat.

Mit dem europäischen Fiskalpakt kommen auch auf die Bundesländer schärfere Haushaltsvorgaben zu. Bund und Länder sollen verpflichtet werden, für die Haushaltsjahre ab 2014 Obergrenzen für die Kreditaufnahme sowie konkrete Pläne für den Abbau ihres "Strukturdefizits" in gleichmäßigen Jahres-Schritten vorzulegen. Das geht aus Eckpunkten des Finanzministeriums zur Umsetzung hervor.

jok/dpa/dapd