Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 07.07.2012
Schütze Stanislaw am Hindukusch
Sächsisch betrachtet - Kolummne von Gunnar Saft
Sachsens Politiker kämpfen tapfer an allen Fronten - auswärts gegen die Taliban, daheim gegen Schlapphüte.
HABEN Sie die Fotos auch gesehen? Ein Spähpanzer der Bundeswehr rollt am Dienstag mit Vollgas durch den afghanischen Straßenstaub. Vom auf sitzt „El Coman dante" Thomas de Maiziére, unser souveräner Bundesverteidigungsminister Und hinten, etwas einge klemmt zwischen der Ausrüstung, strahlt Schütze Stanislaw Tillich - im Hauptberuf sächsischer Ministerpräsident. Trotz glühender Hitze blickte die Panzerbesatzung mutig in die Objektive der Pressekameras Unter den Stahlhelmen und hinter den coolen Sonnenbrillen der beiden war wilde Entschlossenheit zu spüren: Vorwärts immer, rückwärts nimmer! Ehrlich, ich hatte Tränen der Rührung in den Augen. Zwei CDU-Politiker aus Sachsen auf Wacht am Hindukusch. Auf dass nie ein Taliban seinen Fuß auf unsere Dresdner Waldschlößchenbrücke setzt - wenn die irgendwann einmal fertig werden sollte.
DIE Nummer mit dem Panzer hat in der Heimat natürlich mächtig Eindruck gemacht. Vor allem bei der sächsischen FDP. In deren Parteizentrale wurden alle ganz gelb und blau vor Neid und begannen sofort zu überlegen, wie man Tillichs Werbefeldzug im Mittleren Osten zu Hause noch übertreffen kann. Und siehe da, diesmal wollte kein Liberaler kostenlose Eierschecke verteilen oder Anti-Stress-Plakate neben Autobahnbaustellen platzieren. Nein, diesmal wollte auch die FDP richtig Krieg: Man forderte also am Mittwoch kurzerhand die Abschaffung des Landesamtes für Verfassungsschutz. Auf dass niemals wieder ein sächsischer Schlapphut bei der Jagd nach Neonazis kläglich versagt, nur weil alle beobachteten Personen ständig laut "Sieg Heil!" brüllen. (Nun mal ehrlich, wer kommt schon darauf, dass das richtige Neonazis sind?)
DOCH der liberale Gegenstoß verpuffte schnell. Den erfolglosen Verfassungsschützern wurde nämlich schon am Donnerstag vom zuständigen sächsischen CDU-Innenminister bescheinigt, dass sie tatsächlich keine Ahnung haben und deshalb zur Nachschulung müssen, dass man aber auf sie nicht einfach verzichten kann. Die Schlapphüte durften bleiben. Und das war richtig. Womit soll man Neonazis sonst drohen? Ein nicht-funktionierender Geheimdienst ist allemal besser als ein nicht-existierender. Wer glaubt, praktisch kommt das aufs Gleiche hinaus, hat keine Ahnung von Politik. Nehmen wir nur Schütze Stanislaw. Während seines Einsatzes in Afghanistan ließ sich zu Hause in Sachsen schließlich auch kein einziger Taliban blicken. Die Mission war also ein voller Erfolg.