Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 16.07.2012
Verfassungsschutz: Akten-Schredder sorgt für Wirbel in Sachsen
Dresden. Die Meldung aus dem Landesamt kam prompt. "Die Prüfung hat ergeben", teilte Sachsens Verfassungsschutz am Wochenende mit, "dass personenbezogene Akten aufgrund der gesetzlichen Löschungspflichten ordnungsgemäß gelöscht worden sind." Bei all dem gebe es aber "keine Anhaltspunkte", dass auch Material zum Fallkomplex NSU geschreddert worden sei. Damit reagierte das Landesamt auf einen Bericht der Leipziger Volkszeitung, wonach der Inlandsgeheimdienst Bestände aus dem Neonazi-Umfeld vernichtet hat. Laut Sicherheitskreisen soll es sich dabei um zwei Aktenkomplexe handeln.
Was auf den ersten Blick wie ein Dementi der Verfassungsschützer klingt, liest sich auf den zweiten etwas anders. So bestätigt das Landesamt durchaus, dass Daten gelöscht wurden; und der Geheimdienst widerspricht auch nicht der These, dass es sich dabei um Neonazi-Akten gehandelt habe. Lediglich den Bezug zum Zwickauer Neonazi-Trio sieht der Verfassungsschutz nicht.
Kritikern ist diese enge Sichtweise seit jeher ein Dorn im Auge. "Die Aussage des Verfassungsschutzes ist sehr interpretationsfähig", sagt Kerstin Köditz (Linke). Bisher hätten sowohl Innenministerium wie Landesamt vor allem das Trio in den Blick genommen, dabei aber die Rolle des Umfelds - das Neonazi-Netzwerk Blood & Honour zum Beispiel - systematisch unterschätzt. Im Klartext: Akten hätten nicht selten auch dann einen Bezug zur Zwickauer Zelle, wenn das Landesamt diesen leugne.
Erst am Freitag hatte die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) die Arbeitsabläufe beim Verfassungsschutz gerügt. Dabei ging es um Protokolle einer Telefonüberwachung aus dem Jahr 1998, die erst kürzlich überraschend im Landesamt aufgetaucht waren. Verfassungsschutz-Präsident Reinhard Boos hatte daraufhin seinen Posten zur Verfügung gestellt.
Jürgen Kochinke