Karl Nolle, MdL
Die Welt, 12.05.2001
Weiteres Dokument bringt Biedenkopf in Erklärungsnot
Die Vorwürfe reißen nicht ab
Dresden - Am nächsten Mittwoch kommt der Sächsische Landtag zu einer Sondersitzung zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt: die Miet- und Putzfrauenaffäre von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU). Die SPD hofft auf einen Untersuchungsausschuss, die PDS fordert gar den Rücktritt des Ministerpräsidenten.
Den Vorstößen wird angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament aber wohl kein Erfolg beschieden sein. Unabhängig davon, ist die ohnehin in Mitleidenschaft geratene Glaubwürdigkeit von Biedenkopf, der mit Gattin Ingrid zu äußerst günstigen Konditionen in einem Gästehaus des Landes wohnt, jedoch ein weiteres Mal erschüttert worden.
Bisher hatte Biedenkopf stets behauptet, nicht über Details seines Mietvertrags informiert gewesen zu sein. Vielmehr seien seine Frau und er durch nicht von ihm zu verantwortende Versäumnisse in eine unmögliche Lage gebracht worden. An dieser Version gibt es inzwischen erhebliche Zweifel.
Aufgetaucht ist ein Brief des ehemaligen Finanzstaatssekretärs Karl-Heinz Carl vom 4. Juli 1997. In dem persönlich an Biedenkopf gerichteten Schreiben wird die Größe der Wohnung mit 185,7 Quadratmeter angegeben, die Betriebskosten sind auf 4,87 Mark je Quadratmeter taxiert worden.
Im endgültigen Nutzungsvertrag waren die Fläche dann auf 155,4 Quadratmeter und die Betriebskosten auf 3,80 Mark reduziert worden. Der Brief legt den Schluss nahe, dass Biedenkopf sehr wohl informiert war.
Damit ist bereits das zweite belastende Dokument aufgetaucht, das in einem Regierungsbericht, der schonungslose Aufklärung versprochen hatte, nicht erwähnt worden war.
Zuvor war schon ein kritisches Schreiben des Landesrechnungshofs aus dem Jahr 1994 ans Tageslicht gekommen. Regierungssprecher Michael Sagurna indes misst dem neuerlichen Vorgang keine besondere Bedeutung zu: "Dem Ministerpräsidenten hätten alle Ecken und Kanten des Mietvertrages aufgezeigt werden müssen", sagte Sagurna.
(Uwe Müller)