Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 24.09.2012
Der Trostspender
Sachsens SPD-Chef Martin Dulig sieht seine Partei 2014 wieder auf der Dresdner Regierungsbank. Auf dem Parteitag der Sozialdemokraten kommt so viel Optimismus gut an.
Es war fast auf den Tag genau vor fünf Jahren, als der Sozialdemokrat Martin Dulig im Dresdner Landtag plötzlich zur Trompete griff. Der damals 33-Jährige war gerade zum jüngsten SPD-Fraktionsvorsitzenden in Deutschland gewählt worden und gab deshalb seinen Genossen spontan Beatles-Klassiker zum Besten. Der Applaus war heftig. Dulig, der verheiratete sechsfache Familienvater, schien schließlich zu halten, was er selbst in die Runde warf: „Bei mir geht immer alles etwas schneller!“
Zwei Jahre später, die SPD hatte nach der Landtagswahl 2009 ihren Platz am Dresdner Regierungstisch an die andere Zehn-Prozent-Partei FDP abtreten müssen, war Duligs Optimismus schon wieder vonnöten. Nun wurde er auch SPD-Landeschef und erklärte die Niederlage rigoros zur Chance. Mit dem Slogan „Wegen Umbau geöffnet“warb er für nichts weniger als einen kompletten Neuanfang seiner Partei in Sachsen. Ein Anspruch, an dem sich Martin Dulig seit dem messen lassen muss. Und dieses Wochenende war es nun erstmals an den eigenen Parteimitgliedern zu entscheiden, wie weit er dabei gekommen ist. In der Dresdner Messe stand der SPD-Landesparteitag an und damit auch die Neuwahl der Führungsriege. Nicht wenige Beobachter rechneten mit einem vernehmbaren Murren unter den 140 Delegierten. So hoch der Anspruch, so mager ist nämlich die Zwischenbilanz der Parteispitze. So haben laut einer aktuellen Infratest-Umfrage zurzeit 72 Prozent der SPD-Anhänger (!) Vertrauen in den CDU-Regierungschef Stanislaw Tillich, in Dulig dagegen nur 25 Prozent. Immerhin noch 15 Prozent finden, dass die CDU-Fraktion im Landtag die Erwartungen am besten erfüllt, und 41 Prozent geben an, mit der Arbeit ihrer SPD-Fraktion nicht ganz oder gar nicht zufrieden zu sein.
Unbeirrt durch Umfragen
Doch wer glaubte, dass sich der sozialdemokratische Partei- und Fraktionschef davon am Rednerpult etwas anmerken lässt, der irrte. Auf dem Parteitag machte Dulig konsequent das, was ihm bisher immer noch am besten gelang: Er versprühte Optimismus. Man werde künftig in Sachsen wieder mitregieren, versprach er in die Runde. Ob mit den Grünen oder erneut mit der CDU, ließ er offen. Auf jeden Fall regieren. Und er gab die Themen vor, mit denen die SPD beim Wähler künftig besser punkten könne: Bildung, Arbeitsplätze, faire Löhne und Gerechtigkeit. Dazu gab es verbale Hiebe in Richtung der Regierungsbank. Tillich? In dem stecke heute mehr DDR als in vielen Linken. FDP? Die können Eierschecke, aber kein Land gestalten.
Kampfansage mit Ultimatum
Stille Zweifler in den Reihen der Delegierten überraschte er schließlich mit einer Zahl: Sein Ziel sei es, so sagte Martin Dulig, dass die SPD zur Landtagswahl 2014 auf 20 Prozent der Stimmen komme. Wer diese Vorgabe einordnen will, muss wissen, dass dies das beste Ergebnis wäre, welches Sachsens Sozialdemokraten seit 1990 jemals erreicht hätten – und fast einer Verdoppelung der Werte bei der zurückliegenden Landtagswahl entspricht. Martin Dulig, inzwischen immer noch erst 38 Jahre alt, stellt sich für seine politische Karriere damit ein Ultimatum. Doch am Wochenende verfehlte der Schachzug nicht seine Wirkung. Der Optimismus des Parteichefs sprang über, und die Stimmung wurde lockerer. 81,5 Prozent der Parteitagsdelegierten bestätigten Dulig danach in seinem Amt. Sein bisher bestes Ergebnis und gut vier Punkte mehr als bei der vorangegangen Vorstandswahl. Auch seine Stellvertreterinnen an der Parteispitze profitierten: Die frühere Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange und die Ex-Landrätin Petra Köpping wurden mit 89,1 und 78,1 Prozent als Vize bestätigt.
Nur einen traf es heftig. Generalsekretär Dirk Panter kam nur auf 67,6 Prozent – ohne Gegenkandidaten. Weil aber gerade Panter nachgesagt wird, er sei der einzige Spitzengenosse, der an der Basis Kärnerarbeit leiste, war das womöglich nur Pech. Dieser Warnschuss, so wurde noch vor Ort gemunkelt, habe offenbar doch schon dem weiter umjubelten Landeschef gegolten.
Von Gunnar Saft