Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 28.09.2012

Keine Auskunft vom Amt - Sachsens Verfassungsschutz informierte nicht über seinen Kontakt zu einer Schlüsselfigur im Umfeld des Zwickauer Terror-Trios

 
Die Informanten-Karriere von ThomasS., dem mutmaßlichen Helfer des Zwickauer Terrortrios NSU, sorgt nicht nur im politischen Berlin für Trubel. Auch in Dresden wirft die Opposition jetzt dem sächsischen Verfassungsschutz vor, er habe seine Informationspflicht gegenüber dem Bundeskriminalamt, dem NSU-Untersuchungsausschuss im sächsischen Landtag und dessen Geheimdienstkontrollgremium PKK verletzt.

Die Fakten: Nachdem das Terrortrio aufgeflogen war, hatte das Bundeskriminalamt sogenannte Erkenntnisanfragen an die Bundesländer gestellt. Die mit der Aufklärung der NSU-Morde beauftragte Sonderkommission „Trio“ wollte wissen, zu welchen Personen aus dem Umfeld von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Verfassungsschützer in der Vergangenheit Kontakt hatten.

In einem vierseitigen Schreiben vom 24. November 2011 berichtete Sachsens Landesamt für Verfassungsschutz über Kontakte zu insgesamt sieben Personen, von denen zurzeit zwei als Beschuldigte im NSU-Verfahren auftauchen. Der Name von Thomas S. fehlt in der Aufzählung, die auch im Internet kursiert.



Nachdem aber kürzlich die V-Mann-Tätigkeit von Thomas S. für das Berliner Landeskriminalamt bekannt geworden war, erzählte der 44-Jährige der „Welt am Sonntag“, dass auch der sächsische Verfassungsschutz versucht habe, ihn anzuwerben. Er habe aber abgelehnt. Das sächsische Landesamt bestätigt daraufhin, dass es am 10. Juli 2001 tatsächlich ein Treffen mit Thomas S. gegeben habe. Es sei ein „einmaliges Informationsgespräch“ gewesen. Von der Zusammenarbeit des einstigen Blood&Honour-Aktivisten Thomas S. mit dem Berliner LKA sei dem Landesamt nichts bekannt gewesen. Dem Bundeskriminalamt habe man den Kontakt nicht mitgeteilt, weil S. „zu diesem Zeitpunkt noch nicht dem engeren Umfeld des NSU zuzurechnen war“, so Sachsens Verfassungsschutz.

Tatsächlich wird erst seit dem 13.Januar 2012 gegen Thomas S. ermittelt. Doch das Bundeskriminalamt hatte nach dem Auffliegen des Trios eine Liste mit 38 Namen an Sicherheitsbehörden der Republik verschickt, auf der der Name Thomas S. stand. Es wäre fatal, wenn die Liste ausgerechnet in Sachsen nicht angekommen ist, wo das Trio im Untergrund gelebt hatte und Helfer vermutet wurden. Zudem war den Sicherheitsbehörden seit mindesten 14 Jahren bekannt, dass Thomas S. und Uwe Mundlos sich kannten. Bereits 1998 fand die Jenaer Polizei in den Utensilien von Mundlos eine Adressenliste, auf der auch Thomas S. und andere Neonazis in Sachsen verzeichnet waren.

Nicht weniger schwer wiegt ein Fehler, der erst jetzt bekannt wird. So musste das Landesamt gestern auf SZ-Anfrage einräumen, dass man inzwischen zwar den Untersuchungsausschuss des Bundestages über den Kontakt zu Thomas S. informiert hat, aber nicht den NSU-Ausschuss in Dresden, der just heute erneut zum Thema tagt. „Die Übermittlung an den Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtages ist für Anfang kommender Woche vorgesehen“, heißt es. Für deren Mitglieder ein Affront. „Es ist eine Ungeheuerlichkeit, wenn das Landesamt ungeachtet der Wellen, die der Fall Thomas S. bereits bundesweit ausgelöst hat, weiter mauert. Ich glaube schon lange nicht mehr an sogenannte Pannen sondern, was wir sehen, ist strukturelles Versagen auf allen Ebenen“, so Karl Nolle (SPD). Auch Klaus Bartl (Linke) ist empört. „Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass hinter der Verzögerungs- und Verschleierungstaktik der Staatsregierung und des ihrer Aufsicht unterstehenden Landesamtes System steckt.“

Zudem wurde die Parlamentarische Kontrollkommission im Landtag nicht informiert wurden, kritisiert Kerstin Köditz (Linke). Sie sieht bei der Causa Thomas S. auch in Dresden reichlich Klärungsbedarf.

Von Thomas Schade und Gunnar Saft