Karl Nolle, MdL
spiegel-online, 15:23 Uhr, 17.12.2012
Zerschlagen! - Ermittlungen gegen Deutsche Bank -
Kanzlerin Merkel hat im Kampf gegen die Finanzindustrie versagt. Das ist die große Chance für ihren Herausforderer Steinbrück: Er muss endlich die Deutsche Bank zerschlagen.
Die Polizisten, die am Mittwoch der vergangenen Woche in die Deutsche Bank eindrangen, waren bewaffnet. Mit dem gewalttätigen Widerstand der Banker mussten sie zwar nicht rechnen. Aber ihre Waffen waren ein starkes Symbol. Sie deuteten auf die besondere Gefährlichkeit hin, die der Staat diesen Tatverdächtigen zutraut: Banker können Schwerkriminelle sein. Sie halten ganze Gesellschaften als Geisel.
Es ist das größte Versagen der Kanzlerin, der Macht dieser Leute immer noch keinen Einhalt geboten zu haben. Und die größte Chance ihres Herausforderers.
Der Staat hat ein Zeichen gesetzt. Die Bank hat es geradezu herausgefordert. Es geht um den Handel mit CO2-Zertifikaten und um den Verdacht der schweren Steuerhinterziehung. Millionen stehen auf dem Spiel. Wieder einmal. Die Ermittlungen laufen schon lange. Die Bank hatte Kooperation zugesagt. Aber die Ermittler fühlten sich verschaukelt. Die Bank hat gemauert. Mehr noch. Der SPIEGEL schreibt in seiner Titelgeschichte, dass womöglich Beweise vernichtet wurden. Man liest von "vorsätzlicher Hilfe" zur bandenmäßigen Steuerhinterziehung.
Die große Deutsche Bank - im Land die größte - hat sich offenbar verhalten wie ein Drogenkartell: schweigen, vertuschen, weitermachen. Und nun steht auch Co-Chef Jürgen Fitschen im Zentrum der Kritik, der noch vor kurzem getönt hatte: "In der Öffentlichkeit heißt es häufig, die Banken wollen nicht einsichtig sein, sie wollen nicht lernen. Ich hingegen behaupte, dass wir einsichtig sind, dass wir Konsequenzen gezogen haben und dass wir noch mehr Konsequenzen ziehen werden."
In Wahrheit hat die Bank ihre Chance vertan, rechtzeitig zu handeln. Das übernimmt nun der Staat. Der Lack ist ab, so schnell wird dieses Haus nicht mehr glänzen. Es geht ja nicht nur um diesen Fall. Da ist noch die Entscheidung eines Gerichts, dass die Deutsche Bank die Kirch-Erben entschädigen muss. Da sind die Vorwürfe aus Sachsen, die Frankfurter hätten der Landesbank sogenannte Residential Mortgage Backed Securities angedreht - Wertpapiere "von schlechter Qualität", und "die Deutsche Bank wusste es", so heißt es in der Klageschrift. Das Verhalten der Bank sei "dreister Betrug". Und dazu kommen noch Klagen und Ermittlungen aus den USA und anderen Ländern, in denen die Deutsche Bank belogen und betrogen haben soll. Auch wenn in jedem einzelnen Fall die Unschuldsvermutung gelten muss und die Bank einige der Vorwürfe entschieden zurückweist: Der Ruf ist erst einmal ruiniert.
Den Bankiers ist jedes Maß abhanden gekommen
Was braucht ein guter Bankier? "Das eine ist eben jene Gabe, sich in den Interessenstandpunkt des Kunden zu versetzen, zweitens der Mut zum Engagement und drittens das Maß des Risikos." Hermann Josef Abs hat das gesagt, zu Beginn der sechziger Jahre. Damals war es unverzichtbares Merkmal des Bankgeschäfts, dass es still, seriös, fast ein bisschen langweilig war. Die Bankiers waren auch damals mächtig, aber sie achteten zumeist darauf, im Rahmen des Gesetzes zu bleiben.
Inzwischen ist ihnen jedes Maß abhanden gekommen. Das ist ein Kennzeichen des Kapitalismus insgesamt, seitdem die sogenannten sozialistischen Länder zusammengebrochen sind. Mit Sozialismus hatten die nicht viel zu tun. Aber sie waren das, was der Soziologe Oskar Negt eine "Abgrenzungsrealität" nennt. Sie setzten das westliche System unter einen Legitimationszwang, der seither entfallen ist.
Das Haus, das einmal die Zentrale der Deutschland AG war, steht nun im Verdacht der besonders gut organisierten Kriminalität. Dazu passt das Selbstverständnis der Deutsch-Banker. Was tat Co-Chef Fitschen, als die Staatsanwälte das Haus verlassen hatten? Er rief beim hessischen Ministerpräsidenten Bouffier an, um sich zu beschweren. So ist er es offenbar gewohnt. Bouffier ließ ihn auflaufen. Immerhin. Aber die Episode zeigt, was man bislang als Deutsch-Banker von einem Ministerpräsidenten erwarten konnte.
Die Zeit der Späße ist vorüber
Das ist das Versagen der Politik. Sie hat es versäumt, den Bankern Grenzen zu setzen. Im Herbst 2009 hatte Angela Merkel gesagt: "Wir brauchen Regeln - und zwar für jedes Produkt, für jeden Platz, an dem gehandelt wird, und für jedes Institut. ... Keine Bank darf so groß sein, dass sie wieder Staaten erpressen darf." Worte, denen keine Taten folgten. Nach Fukushima schaffte Merkel den Ausstieg aus der Atomkraft. Aber nach der Kernschmelze des Finanzsektors gelang ihr ein ähnlicher Befreiungsschlag nicht. In der Auseinandersetzung mit der Atomlobby konnte die Kanzlerin ihren Mut zusammennehmen. Im Angesicht der Banken verließ er sie.
In allen Bankenskandalen der vergangenen Jahre ist die Glaubwürdigkeit des größten deutschen Geldhauses zerstört worden. Die Bank sollte zerschlagen werden. Peer Steinbrück, der Kanzlerkandidat der SPD, hat einen Plan vorgelegt, wie unter dem Dach einer Holding das Kredit- und das Wertpapiergeschäft getrennt voneinander abgewickelt werden können. Das ist eine vernünftige Idee.
Steinbrück, der sich von den Banken in der Vergangenheit gerne hat einladen und bezahlen lassen, hat sich gerühmt, seinen Auftraggebern nie nach dem Mund geredet zu haben. Das wird so sein. Die Banken haben seiner Schelte zugehört, wie der König der Schelte des Narren zugehört hat.
Den kommenden Wahlkampf kann der Kandidat der SPD nutzen, den Banken deutlich zu machen, dass die Zeit der Späße vorüber ist.
Von Jakob Augstein