Karl Nolle, MdL
Süddeutsche Zeitung, 14.12.2012
NPD-Verbotsantrag: Tropfen auf den braunen Stein
Ein Verbotsantrag - und zack, weg ist die NPD? So einfach ist es nicht. Die Neonazis sitzen nicht nur in Landtagen und Stadträten, sondern als Bürger in Elternbeiräten und Kneipen. Die Arbeit für demokratische Kultur braucht einen längeren Atem als den, der bis Karlsruhe reicht. Der Verbotsantrag kann nur ein Zusatz sein.
Es gibt einen merkwürdigen Glauben daran, dass ein NPD-Verbot so funktioniert wie die Fernbedienung beim Fernseher: Man drückt drauf, und schon hat man ein anderes, ein besseres Bild. Eines mit weniger Ausländerhass, ein Bild mit weniger Islamophobie, ein Bild, das nicht mehr braun gefärbt ist. So einfach ist es nicht.
Ein Verbot der NPD schaltet nicht den Islamhass, nicht den Antisemitismus und nicht den Rassismus ab. Es schaltet nur die NPD als Partei ab, die, so lang sie nicht verboten ist, so tun kann, als gehöre sie zum demokratischen Spektrum.
Ein Verbotsantrag ändert wenig daran, dass der Neonazismus in ganzen Landstrichen präsent ist. Ein Verbot ändert wenig daran, dass sich, da und dort, ein Alltag mit Neonazismus als Hintergrundmusik etabliert hat. Die Neonazis sitzen ja nicht nur als NPD-Fraktion in zwei Landtagen und in vielen Stadträten, sie sitzen als Bürger in Elternbeiräten, Kneipen und bei lokalen Geselligkeiten.
Ein NPD-Verbotsantrag ersetzt nicht die vielen Projekte, die gegen den Rechtsextremismus antreten und vom Staat finanziell viel zu kurz gehalten werden. Er ersetzt nicht den Mut der Leute, die in anstrengender, nervenraubender Alltagsarbeit in die Jugendzentren gehen, in die Schulen, zu den Behörden und zur Polizei. Die Arbeit für demokratische Kultur braucht einen viel längeren Atem als den, der bis Karlsruhe reicht.
Und trotzdem ist ein NPD-Verbot wichtig - als ein großer Tropfen auf dem braunen Stein: Wenn die NPD nicht nur braunem Gedankengut, sondern auch braunen Straftaten Heimstatt bietet, wenn die NPD ein Animationsraum ist für Gewalt, wenn sie wie ein Durchlauferhitzer für fremdenfeindliche Aggressivität funktioniert, wenn sie der Bösartigkeit und der Menschenverachtung Auftrieb gibt - dann muss sie verboten werden. Dann ist das Verbot der NPD ein Akt der Nothilfe für die Opfer dieser Gewalt.
Diese Nothilfe reicht hinten und vorne nicht. Sie ist kein Ersatz für anderes, sie ist nur ein Zusatz. Man darf, man soll keine falschen Hoffnungen damit verbinden.
Nun sind es also die Bundesländer, die via Bundesrat einen NPD-Verbotsantrag stellen. Ob auch Bundesregierung und Bundestag mitmachen wie bei gescheiterten ersten Verbotsantrag, ist noch nicht klar. Aber das ist letztlich auch nicht so wichtig.
Es kommt weniger darauf an, wie viele Verfassungsorgane den Verbotsantrag stellen, sondern darauf, was in diesem Antrag steht. Ein guter Antrag ist nicht schlechter, wenn er nur die Unterschrift eines Antragstellers trägt. Entscheidend sind die beweiskräftigen Indizien. Sie zu sammeln, hatten die Behörden lange genug Zeit. Der Verfassungsschutz, dem viele nur noch Schlechtes zutrauen, kann nun zeigen, für was er gut ist.
Ein Kommentar von Heribert Prantl