Karl Nolle, MdL

Agenturen, dpa, 18:47 Uhr, 10.01.2013

Rätselhafter Aktenschwund - Opposition fordert Aufklärung

 
Sachsen hat seine angebliche Korruptionsaffäre «Sachsensumpf» schon 2007 zu den Akten gelegt - vorschnell, wie manche meinen. Nun sollen Geheimdienst-Dokumente zu den Vorgängen verschwunden sein.

Dresden (dpa/sn) - Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) forscht nach Akten aus dem eigenen Haus. Nachdem die frühere Referatsleiterin für den Bereich Organisierte Kriminalität (OK) am Mittwoch bei ihrer Vernehmung im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum «Sachsensumpf» ein Fehlen zahlreicher Dokumente anmerkte, forderte die Opposition am Donnerstag erneut eine lückenlose Aufklärung. Wie das LfV auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mitteilte, waren einzelne Akten zur Organisierten Kriminalität schon 2007 nicht auffindbar. Damals hatten Meldungen über OK-Netzwerke, in die angeblich Juristen und Polizisten verwickelt sein sollten, wochenlang für Schlagzeilen gesorgt.

Nach der Ausschusssitzung stellt sich die Frage, ob die vormalige Referatsleiterin Simone Skroch mit ihren Aussagen eine neue Lawine losgetreten hat. Ihre Behauptungen würden sich wohl in erster Linie auf Schriftstücke beziehen, die nicht im Registraturprogramm des LfV erfasst seien, teilte die Behörde am Donnerstag mit. «Mithin kann eine Aussage, ob diese Akten fehlen, nicht getroffen werden, da nicht festgestellt werden kann, ob diese Akten überhaupt existiert haben», hieß es wörtlich. Skroch hatte gesagt, dass neben 27 Quellenberichten auch 12 Treffvermerke fehlen - Dokumente, die nach einer Begegnung von Informanten mit LfV-Leuten angelegt werden. Skroch wunderte sich, dass zwar noch Spesenbelege vorhanden sind, nicht aber die Vermerke.

Skroch gilt als Schlüsselzeugin für den «Sachsensumpf». Der Begriff tauchte erstmals 2007 auf. Damals berichteten Medien über Dossiers des Geheimdienstes zu angeblichen OK-Netzwerken in Sachsen. Darin sollten Juristen und Polizisten verstrickt sein. Die Dresdner Staatsanwaltschaft ermittelte, fand aber keine Belege. Die Regierung setzte externe Prüfer ein, die aus der Korruptionsaffäre eine Aktenaffäre machten. Skroch wurde vorgeworfen, in «blindem Jagdeifer» und mit «blühender Fantasie» Akten aufgebauscht zu haben. Die Juristin wies das stets zurück. Gegen sie wurden zahlreiche Disziplinar- und Ermittlungsverfahren wegen Verleumdung, falscher Verdächtigung und Verfolgung Unschuldiger geführt.

Das Fehlen von Dokumenten war bereits im April 2012 aktenkundig geworden. In einem Strafverfahren wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen gegen einen Mitarbeiter Skrochs hatten dessen Anwälte aufgelistet, dass im gesamten Aktenkonvolut nachweisbar mindestens 66 registrierte Dokumente komplett fehlten - die meisten davon zu Vorgängen im Vogtland. Der SPD-Obmann Karl Nolle im U-Ausschuss griff den früheren LfV-Präsidenten Reinhard Boos und seinen Vize Olaf Vahrenhold an. Unter ihnen und der Aufsicht des Innenministeriums sei das Landesamt eine «Vereinigung zum Verschwinden von Akten» geworden. «Der sogenannte Sachsensumpf ist in Wirklichkeit ein Aktensumpf», sagte Nolle. 

Autor: Jörg Schurig
101847 Jan 13