Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 10.04.2013

Ex-Verfassungsschutzpräsident Boos im Zeugenstand

 
Mit Reinhard Boos kam 2007 die Wende in der „Sachsensumpf`-Affäre. Doch ging damals alles mit rechten Dingen zu?

DRESDEN - Wie gut sich Reinhard Boos an den 3. Juli 2007 erinnern kann, dürfte heute im Raum A 600 des Landtags ausgiebig zu beobachten sein. Die Mitglieder des ,,Sachsensumpr-Untersuchungsausschusses werden vom Ex-Verfassungsschutzpräsidenten so einiges wissen wollen, und eher früher als später dürfte es dann auch um jenen Sommertag vor knapp sechs Jahren gehen. Boos war erst zwei Wochen zuvor an die Spitze des sächsischen Landesamtes zurückgekehrt Das hatte der Jurist schon von Mitte 1999 bis Ende, 2002 geleitet. Er wolle ,,den Eindruck vermeiden, dass etwas vertuscht werden soll", kündigte Boos damals an. Der Verfassungsschutz hatte gerade mit einer Materialsammlung zu angeblich kriminellen Netzwerken im Vorzeigeland Sachsen die halbe Republik erschüttert, die Rede war von Geheimakten zu Verbindungen sächsischer Juristen zum organisierten Verbrechen.

Doch mit dem 3. Juli änderte sich alles. Boos gab, zusammen mit dem damaligen Innenstaatssekretär und heutigen Generaistaatsanwalt Klaus Fleischmann, eine denkwürdige Pressekonferenz in Dresden. Ihre Vorwürfe richteten sich nicht gegen diejenigen, über die das bis Mitte 2006 bestehende Verfassungs-Schutz-Referat zur Beobachtung Organisierter Kriminalität (OK) drei Jahre lang vermeintlich brisantes Material gesammelt hatte, sondern gegen beteiligte Mitarbeiter des Nachrichtendienstes. Boos sprach von „gravierenden Verstößen" gegen nachrichtendienstliche Regeln und „erheblichen Unregelmäßigkeiten" bei der Bearbeitung von Informationen.

Die einstige OK-Referatsleiterin Simone Skroch bezeichnete diese Pressekonferenz kürzlich als Einlei tung ihres „öffentlichen Hinrichten". Nur gewusst habe sie das damals noch nicht Boos soll ihr erst am Abend des 3. Juli, also einige Stunden nach der Pressekonferenz, ein Disziplinarverfahren eröffnet haben - unter merkwürdigen Umständen. Laut Skroch wollte Boos bei der Befragung im Ruheraum des Landesamtes im Beisein des bis heute amtierenden Verfassungsschutz-Vizes Olaf Vahrenhold, dass sie sich als „Verräter" nute, der geheime Informationen an Journalisten weitergegeben habe. Dabei sei sie körperlich schwer angeschlagen gewesen.

Boos selbst soll deshalb den Notarzt alarmiert haben. Als zwei Rettungssanitäter kamen und Skroch nach einer kurzen Untersuchung ins Krankenhaus mitnehmen wollten, wurden sie erst einmal von den beiden Herren vor die Tür geschickt. So sagten es beide Sanitäter in Protokollen aus, die dem Untersuchungsausschuss vorliegen und bei Skrochs Befragung vom Grünen-Abgeordneten Johannes Lichdi in Auszügen verlesen worden waren.

Boos und Vahrenhold werfen Skroch indes Verleumdung vor. Ein entsprechendes Verfahren ist immer noch anhängig, bestätigte gestern die Generalstaatsanwaltschaft Skrochs Strafanzeige gegen beide Herren wegen Körperverletzung im Amt und Nötigung blieb hingegen folgenlos, die Staatsanwaltschaft Chemnitz hat das Verfahren längst eingestellt, auch die Beschwerde dagegen scheiterte. Boos trat im Sommer 2012 wegen Pannen seines Amtes im Zusammenhang mit der NSU-Affäre zurück. Seitdem ist er Referatsleiter im Innenministerium für Ausländerangelegenheiten.

von Timo Moritz