Karl Nolle, MdL
junge Welt, 15.01.2014
Geheimdossier für Minister
In der »Sachsensumpf«-Affäre werden neue Vorwürfe gegen den ehemaligen sächsischen Justizminister Mackenroth erhoben.
Obwohl erste Enthüllungen über das kriminelle Treiben hochrangiger Kreise aus Politik und Justiz in Sachsen schon 2007 öffentlich wurden, ist die Affäre, die unter dem Label »Sachsensumpf« bekannt wurde, bis heute nicht aufgeklärt. Weitgehend unklar ist, in welchem Ausmaß Personen aus Polizei- und Justizbehörden und dem Politikapparat in den 1990er Jahren im Freistaat in ein kriminelles Netzwerk verstrickt waren. Diesem wird vorgeworfen, sich der Korruption, Beteiligung an dubiosen Immobiliengeschäften, Mordanschlägen und der Förderung von Kinderprostitution schuldig gemacht zu haben (jW berichtete). Erkenntnisse über die Vorgänge waren seinerzeit vom sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz auf insgesamt 15 600 Seiten Aktenmaterial dokumentiert worden.
Noch immer befaßt sich ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuß des Landtages mit dem »Sachsensumpf«-Komplex. Das Gremium versucht, neben den kriminellen Machenschaften auch zu prüfen, inwiefern die Aufklärung des Skandals von Mitgliedern der Landesregierung bzw. der Justizbehörden behindert wurde.
Vor wenigen Tagen wurden neue Anschuldigungen öffentlich: So erhebt der frühere sächsische Datenschutzbeauftragte Thomas Giesen, der heute als Rechtsanwalt die ehemalige Verfassungsschutzreferatsleiterin Simone Skroch vertritt, Vorwürfe gegen Geert Mackenroth (CDU). Dieser soll in seiner Zeit als Justizminister 2007 über Skroch »unerlaubt und rechtswidrig personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet« haben. Mackenroth soll den damaligen Landgerichtspräsidenten Wolfgang Eißer beauftragt haben, »heimlich Hintergrundinformationen zu Frau Regierungsdirektorin Henneck (heute Skroch) einzuholen«, wie es in dem Schreiben von Rechtsanwalt Giesen heißt, das an den Linke-Politiker Klaus Bart! gerichtet ist, der Vorsitzender des zweiten Untersuchungsausschusses zum »Sachsensumpf« ist, und jW vorliegt.
In seinem Schreiben fordert Giesen die Ausschußmitglieder auf, einen »Beweisbeschluß« zu fassen und dazu entsprechende, Akten des Justizministeriums »im Original herbeizuziehen und auszuwerten«. Diese würden »dokumentieren, daß jener Justizminister heimlich ein Dossier zu Frau Henneck hat anlegen« und es »mit Hilfe jenes Herrn Eißer (hat) vervollständigen lassen«.
So sei im Justizministerium eine Akte mit »einem Gesundheitsbulletin und weiterem umfangreichen Schriftverkehr« angelegt worden. »Dies ist heimlich und hinter dem Rücken von Frau Skrosch, unerlaubt, unzuständigerweise und gegen die Vorschriften über die Personalaktenführung ge schehen«, so der von Giesen in Richtung seines Parteifreundes geäußerte Vorwurf weiter. Der ehemalige Minister Mackenroth wies die Anschuldigungen gegenüber der •Presse.zurück.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle, der sich in der Öffentlichkeit einen Ruf als engagierter Aufklärer im »Sachsensumpf« erarbeitet hat, veröffentlichte vor wenigen Tagen E-Mails, die die Vorwürfe untermauern könnten. So schrieb Eißer den »Sachsensumpf«- Chefermittler Wolfgang Schwürzer am 6. Februar 2008 an und unterrichtete diesen mit einem »Beitrag zum Gesundheitsbulletin der Frau H.«.
Eißer informiert Schwürzer darin, daß Henneck »nach Mitteilung des Innenministeriums im Hinblick auf ihre Dienstfähigkeit demnächst vom Polizeiarzt untersucht werden« solle. »Ob wir das offiziell wissen dürfen, weiß ich nicht, wohl eher nicht«, heißt es in der dieser Zeitung vorliegenden E-Mail.
.Die,neuen Enthüllungen über das offensichtlich rechtswidrige Handeln im Justizministerium sind geeignet, den Druck auf die sächsischen Christdemokraten zu erhöhen, gelten sie doch vielerorts als die wahren Verhinderer der Aufklärung der Skandalserie. Ob es den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses jedoch überhaupt noch gelingen kann, die dubiosen Vorgänge in Sachsens Behörden zu klären, bleibt fraglich. Im August wird ein neuer Landtag gewählt, damit endet auch die Arbeit des Gremiums. Die Einsetzung eines dann dritten Untersuchungsausschusses gilt als fraglich.
Von Markus Bernhardt