Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 19.06.2014

Sachsens prominenter Politiker undl Unternehmer Kart Nolle - Die Wahrheit über meinen "Untergang"

 
DRESDEN - Landtags-Legende Karl Nolle (69): Vor seinen Fragen zitterten die Mächtigen. Sein Abgeordneten-Briefkasten ist legendär. Er ist DER "Polit-Jäger" - stürzte zwei CDU-Ministerpräsidenten: Kurt Biedenkopf (84) und Georg Milbradt (69). Nach 15 fahren verlässt das SPD-Schwergewicht nun die politische Bühne.
 
Nicht mit einem Orden. Sondern wirtschaftlich ruiniert, gesundheitlich angeschlagen. Exklusiv in der Morgenpost erzählt er die ganze Wahrheit!  "Irgendwann muss man mit dem Aufhören anfangen", sagt Karl Nolle. Organisiert wie immer sitzt er beim Gespräch am Wohnzimmertischmit diversen Unterlagen, Briefen, Tabellen: "Sie kennen mich nur so, oder?" Er lacht. Sieht gesund aus. Hat etwas zugenommen. Wie schwer er ist, verrät er noch immer nicht.

"Mir geht es physisch gut, psychisch nicht so." Er wird ernst: "Der Verlust meiner Druckerei, die 18 Monate Ermittlungen bis zur Einstellung des Verfahrens gegen mich, der Rufmord - das hat mir sehr zugesetzt." Der stets kerngesunde Sozi erkrankte in den vergangenen fünf laliren häufig schwer: "Ich lag drei Mal im Krankenhaus - ein offenes Bein, schlimme Nierensteine, ein Kollaps im vergangenen fahr."

Dabei begann 1999 alles so gut: Als SPD-Wirtschaftsexperte startete er im Landtag durch. Mit Kleinen Anfragen piesackte er die CDU. Motto: "Man wird doch mal fragen dürfen!" Im damals "königlich-sächsischen Parlament" der absoluten CDU-Mehrheit war das ungewöhnlich. "PDS-Fraktions-Chef Peter Porsch sagte mal zu mir: "So kannst du doch mit denen nicht umgehen".

Welcher Rücktritt war wichtiger-Biedenkopf 2002 oder Milbradt 2008? "Mir ging es nie um Rücktritte. Ich wollte Transparenz und Aufklärung!" Biedenkopf war die bedeutendere Persönlichkeit. "Milbradt war durch die Landesbank politisch wichtiger." Der Draht zu Biedenkopf riss nie ganz ab: "Wir telefonierten ab und an. Er rechnet mir hoch an, dass ich Dinge, die er mir im Vertrauen sagte, nie gegen ihn verwendete. Das bleibt auch so! Zu Milbradt hatte ich nie persönlich Kontakt."

2005, als die SPD mit der CDU koalierte, wollte er da Minister werden? Er ziert sich. "Es war sowieso nicht meine Entscheidung. Ich wurde als Wirtschaftspolitiker und Druckereichef auch nicht gefragt." Für ihn wohl gut: "Wir haben damals nicht echt regiert."

"Wir haben bestenfalls der CDU beim Regieren geholfen und saßen im Kindersitz in der zweiten Reihe. Milbradt hat unsere Naivität und Gutmütigkeit voll ausgenutzt."

Sein Blockflöten-Buch läutete 2009 Nolles Untergang ein: "Ich habe Teile der CDU-Fraktion als Ex-Blockflöten angegriffen." Auch MP Stanislaw Tillich. "Man wollte mich politisch fertigmachen." Nolle geriet ins Visier des Finanzamtes, später der Staatsanwaltschaft. "Das Finanzgericht gab mir nach 31 Monaten recht. ;; Aber die gezielte Kampagne funktionierte, die Aufträge blieben weg."

Ein Teilhaber stieg in sein Druckhaus ein. Das Ehepaar Nolle schied als Geschäftsführer aus. Warum hat er nicht einfach alles verkauft? Nolle schaut irritiert: "Und was wäre aus meinen 75 Angestellten geworden?"

"Die Neuen fuhren die Firma, 18 Monate später, 2012, gegen die Wand." Karl und Christi Nolle hafteten mit ihrem gesamten Vermögen. "Alles ist weg, die Firma, das Haus, die Lebensversicherungen. Noch immer droht die Privatinsolvenz." Dann wäre auch die Altersversorgung weg. Wie steht man das durch? Seine Augen werden feucht: "Ohne Christi hätte ich das nicht geschafft. Sie hat immer zu mir gestanden." Er dreht an seinem Ehering: "Wissen Sie, wie entwürdigend es ist, wenn Sie Ihren Ehering als Vermögen angeben müssen? Ihren Ehering!" War es das alles wert? Da ist er, der "alte" Nolle! Entsetzt: "Natürlich. Ich würde alles genauso wieder machen! Ich wüsste nichts, was ich anders machen würde."

Politisch schließt Nolle nun ab. Mit seiner Frau und Hovawart-Hündin Krissi (10 Monate) will er viel wandern. "Ich bleibe aber in der SPD. Das ist meine politische Familie", stellt er klar. "Aber die Partei hat einen schweren Weg vor sich. Wir brauchen ein Team, nicht nur fähige Einzelspieler." Als Teamplayer sah ihn seine Partei nicht immer. Aber so ist er, der Karl Nolle. SPD-Chef Martin Dulig (40) sagte einmal: "Karl hat seinen eigenen Kopf und er ist so, wie er ist, absolut richtig!"

Jens Jungmann