Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 03.07.2014

Verloren im Sachsensumpf

(mit Kommentar zum Kommentar) ...
 
Über das Ende einer Nicht-Affäre

An die Hysterie im Sommer 2007 erinnern sich wohl nur noch wenige Menschen. Damals tauchten in Sachsen wilde Gerüchte auf über Staatsanwälte im Rotlichtmilieu, kinderpornografische Hefte in Dienstzimmern und Prostituierte im Leipziger Rathaus. Der Verfassungsschutz wollte all diese Dinge herausgefunden haben. Die Medien überschlugen sich, der damalige Innenminister verlor die Nerven. Verschwörungstheorien finden immer ihre Anhänger, auch in der Politik. Sind sie erst einmal in der Welt wird es schwer, zwischen Wahrheit und Dichtung zu unterscheiden.

Beispiel „Sachsensumpf': Beweise für mafiöse Strukturen in Sachsen hat bisher niemand gefunden. Das sagen Ermittler, Kommissionen und jetzt auch der Untersuchungsausschuss, der vier Jahre lang Zeugen vernommen und Akten studiert hat Die Verschwörungstheorien — sie leben trotzdem weiter. Die Justiz, so behaupten nämlich einige Abgeordnete nun, habe gar nicht richtig nach Beweisen für mafiöse Netzwerke gesucht Seriös ist dieser Vorwurf natürlich nicht, aber davon war der Untersuchungsausschuss ohnehin über weite Strecken weit entfernt. Es ging weniger um die unvoreingenommene Aufklärung von Missständen, als um die Entwicklung immer neuer Theorien. In der Justiz, so schimpften drei Oppositionsabgeordnete gestern, herrschen Klüngelwirtschaft und Kumpanei. Das sei der eigentliche „Sachsensumpf'. Das Pferd kann noch so tot sein, manche steigen niemals ab.

von Karin Schlottmann
Vergifteter Hafer und das Lamentieren über tote Pferde.
Ein Kommentar zum Kommentar....
Karl Nolle, MdL

Sachsen in Zeiten politischer Verwirrtheit - Rechtsstaat oder Fiktion

Ein überschätzter Justizminister und ein völlig überforderter Innenminister machten Sachsen zum Sachsensumpf. Mit seiner berühmten „Mafiarede“ hatte Minister Buttolo am 5. Juni 2007 während einer Sondersitzung im Plenum des Sächsischen Landtages, die Stichworte geliefert, die dann einen Mediensturm über Sachsen entfachten. Niemand will heute noch eine plausible Erklärung für die unterirdische Rede von Albrecht Buttolo finden, in der er vor

„Racheakten der organisierten Kriminalität in Sachsen warnte. Die Mafia werde einschüchtern, verleumden und Misstrauen säen. Wenn ihr das gelingt kann sie den Kampf gewinnen."

Das war keine Erfindung der mit der organisierten Kriminalität befassten Beamten des LfV. Die Rede kam aus den Amtsstuben des Innenministeriums, sie entstammte der Feder eines fehlgeleiteten Beamten, der dann, wie üblich, um nach dem Theater seinen Mund zu halten, belohnt wurde und in der Hierarchie der Administration weiter aufgestiegen ist.

Das Staatsministerium des Innern hatte von je her die Fach- und Dienstaufsicht über das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen. Dessen leitende Behördenvertreter hatten jederzeit Akteneinsicht und sie waren ständig darüber informiert, wenn sie beim LfV aus- und eingingen, welche Nachrichten und Erkenntnisse von den Mitarbeitern im LfV, auch im Bereich OK „organisierte Kriminalität“, zusammengetragen wurden. Grundlage dieser Mafiarede war eine offensichtliche völlige Überinterpretation nicht ausermittelter Erkenntnisse des LfV, die einen verschlungenen Weg in die Medien fanden und einen öffentlichen Skandalsturm kaum glaubhafter Verwunderung auslösten.

Bereits am nächsten Tag ruderte Buttolo zurück und beantwortete die quer durch alle Parteien des Landtages gestellte Frage nach Beweisen für das von ihm beschriebene Schreckensszenario:
 
"Es gibt bisher keine belastbaren Hinweise. Ich wollte aber die Gefahr nicht verschweigen.“

Wie groß die sei, könne er nichts sagen, aber: "Kriminelle Strukturen sind schnell wieder aktivierbar." (Dresdner Morgenpost vom 7.6.2007).

Nur scheinbar schien die Mafia das Land zu überrollen; in Wahrheit haben Teile der Politikadministration und willige Helfer in der Strafrechtspflege die sächsische Justiz politisiert, an den Rand der Lächerlichkeit gebracht und in die Untiefen einer Bananenrepublik gesteuert.

Heute wissen wir. Es ist nicht die behauptete Mafia, es sind nicht die Ereignisse um im Rotlichtmilieu, in Korruption und dubiose Immobiliengeschäfte verstrickte Juristen oder Politiker in Leipzig, nicht die Geschehnisse um den Missbrauch von Mädchen und Frauen in Leipzig und Plauen.

Der Sumpf ist nicht angesiedelt im LfV. Der eigentliche Sachsensumpf: Das ist der sachsenspezifische Umgang mit dem Bekanntwerden dieser Gerüchte! Obwohl es für die von ihm selbst verbreiteten Gerüchte, wie Buttolo einräumen musste, „bisher keine belastbaren Hinweise gibt.“ (Was die offensichtliche Notwendigkeit belastbarer Ermittlungen nicht ausgeschlossen hat.)

Der Sumpf ist die, koste es was wolle, verkrampfte Suche nach Schuldigen für die Medienblase und die histerische Abmoderation des öffentlichen Skandals, bei der man selbst die physische und psychische Zerstörung von auserkorenen „Schuldigen“ billigend in Kauf nahm.

Es fällt auf, dass sich seit 2007 bis heute kein unabhängiges Gericht mit den Ursachen, Hintergründen und Entwicklungen der Medienblase Sachsensumpf beschäftigt hat. Allenfalls sind die in Sachsen besonders weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften, und unter diesen vor allem die eigentlich nicht zuständige Staatsanwaltschaft Dresden, tätig geworden.

Bei diesen Herren geht es in Wahrheit nur um den Schutz des Staates vor der üblen Nachrede des Sumpfes und d.h. bei Ihnen: Schutz vor den beamteten Ermittlern, Zeugen, unbotmäßigen Journalisten, Abgeordneten, Rechtsanwälten und allen anderen, die es für möglich halten, dass in Sachsen etwas Ungesetzliches passiert sein könnte. Die wurden dann inflationär als erzieherische Maßnahme mit Ermittlungsverfahren überzogen. Dies scheint der eigentliche Sumpf zu sein, und verbissene Abmoderation der Kern aller Bemühungen.

Warum lässt man bis heute die Gerichte nicht endlich die Arbeit machen, für die sie geschaffen sind?

Ob Minister, Staatssekretärin, Ministerpräsident oder eine Vielzahl von Politikern, Staats- und Oberstaatsanwälten – alle haben sich zu „Aushilfsgeneralsstaatsanwälten“ in Sachsen aufgeschwungen. Nicht verschont von diesen Folgen politischer Verwirrtheit blieb bedauerlicherweise  auch ein Teil der Medien, die teilweise bis heute noch so agieren, als stünden sie als Vollstreckungsbeamte und Hilfscheriffs auf der Gehaltsliste der Regierung. 

Bereits am 3.7.07 gab man auf einer Regierungspressekonfenz die nicht auf Fakten gestützte  Sprachreglung aus, dass alles nur heiße Luft sei. Die wollte man .schon damals früh und sogar ohne eigenes Aktenstudium (die Akten lagen noch gar nicht vor) erkannt haben weil nicht sein konnte was nicht sein durfte.