Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 30.09.2014
Neuer Landtag wartet auf neue Regierung
Die 126 Abgeordneten haben vorerst nur wenig zu tun – im Gegensatz zu den Parteispitzen von CDU und SPD.
Einen Tag vor Ablauf der gesetzlichen Frist hat Sachsens neu gewählter Landtag gestern seine Arbeitsfähigkeit hergestellt. An der konstituierenden Sitzung in Dresden nahmen bis auf den entschuldigt fehlenden CDU-Abgeordneten Peter Patt alle 126 gewählten Abgeordneten teil. Mit der CDU, der Linkspartei sowie SPD, AfD und Grünen gehören dem Parlament in der kommenden fünfjährigen Legislaturperiode insgesamt fünf Fraktionen an. FDP und NPD blieben bei der Landtagswahl Ende August unter der Fünf-Prozent-Hürde und gehören dem Parlament nicht mehr an.
Die gut einstündige Sitzung wurde vom amtierenden Alterspräsidenten des Landtages, dem 64-jährigen CDU-Abgeordneten Svend-Gunnar Kirmes, um 13 Uhr eröffnet. Zuvor hatten am Morgen zahlreiche Parlamentarier sowie Mitglieder der bisherigen Staatsregierung an einem Gottesdienst in der Dresdner Dreikönigskirche teilgenommen. In diesem Gebäude hatte sich 1990 der erste sächsische Nachwende-Landtag konstituiert und später auch seine turnusmäßigen Tagungen abgehalten. In seiner Eröffnungsrede begrüßte Kirmes, dass die Wähler der rechtsextremen NPD einen erneuten Einzug in Parlament verweigert haben. Zudem rief er alle Landtagspolitiker zur konstruktiven Zusammenarbeit und einem fairen Umgang miteinander auf.
Geheime Unterstützer für Rößler
Nach der Verpflichtung jedes einzelnen Abgeordneten, der sein Mandat entweder mit „Ja“ oder dem Satz „Ja, mit Gottes Hilfe!“ antreten musste, stand die erste Entscheidung an. Auf Vorschlag der CDU stellte sich deren Abgeordneter Matthias Rößler als einziger Bewerber zur Wahl eines neuen Landtagspräsidenten. Rößler hatte das Amt bereits in der abgelaufenen Legislaturperiode inne. Weil für ein erfolgreiches Votum mindestens 64 Stimmen notwendig waren, die CDU aber nur über 59 Abgeordnete verfügt, war man bei der geheimen Abstimmung auf Schützenhilfe angewiesen. Die kam auch prompt, obwohl ein kurzer Kirmes-Versprecher über vermeintlich nur „43 Ja-Stimmen“ kurz für Unruhe sorgte. Am Ende waren es tatsächlich exakt 73 Ja-Stimmen – nur drei weniger als CDU und SPD zusammen, die gestern mit 76 Abgeordneten im Plenum vertreten waren. Beide Parteien verhandeln schon seit Tagen über die Bildung einer gemeinsamen Regierung. Die Gespräche sollen bis Anfang November abgeschlossen sein, danach will die SPD noch eine Mitgliederbefragung zum ausgehandelten Koalitionsvertrag durchführen. Erst danach kann der Landtag erneut zusammenkommen, um den künftigen Ministerpräsidenten zu wählen und ihn mit der Bildung der Regierung, sprich der Ernennung von Ministern zu beauftragen. Die neuen Kabinettsmitglieder werden später vom Parlament vereidigt.
Absehbar wird der Landtag damit noch für Wochen vorrangig mit sich selbst beschäftigt bleiben, bevor der übliche parlamentarische Betrieb wieder aufgenommen werden kann. An strittigen Themen fehlt es bis dahin allerdings nicht. So gab es gestern prompt Kritik, weil CDU und SPD durchsetzten, dass das Parlament zunächst auf weitere Personalwahlen verzichtet und auch die Geschäftsordnung der letzten Legislaturperiode vorerst gültig bleibt. Der Hintergrund der vermeintlich rein organisatorischen Entscheidung ist brisant. Weil noch nicht entschieden ist, ob die anstehende neue Geschäftsordnung nur noch zwei statt der bisher drei Vize-Präsidenten vorsieht, spielen CDU und SPD damit klar auf Zeit. Offenbar sind die repräsentativen Posten Teil der Koalitionsgespräche und beide Parteien möchten sich alle Optionen offen halten. Die Linken sprachen daher von nur „einer halben Konstituierung“, die Grünen von einem „Stand-by-Modus“, der dem Parlament aufgezwungen wird. Dem umstrittenen Verfahren stimmten sie notgedrungen aber zu, um die Konstituierung des Landtags nicht zu verhindern.
Linke helfen Sozialdemokrat Nolle
Den feierlichen Akt selbst verfolgten auf der Besuchertribüne auch etliche ehemalige Abgeordnete – darunter die frühere Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau, die auf ihr im August errungenes Landtagsmandat erst in der vorigen Woche überraschend verzichtete. Hermenau protestierte damit gegen ihre eigene Partei, welche die ebenfalls möglichen Koalitionsverhandlungen zwischen Grünen und CDU zuvor deutlich abgelehnt hatte. Auch der Ex-Abgeordnete Karl Nolle (SPD) beobachtete von oben aus das Geschehen – mit leicht missmutiger Miene. Der Grund: Die SPD-Fraktion hatte ihn erst gar nicht mehr auf die Gästeliste gesetzt. Zum Glück halfen die Linken kurzfristig mit einem Besucherticket aus.
Von Gunnar Saft