Karl Nolle, MdL
DNN, 17.05.2001
PDS scheitert mit Rücktrittsforderung gegen Biedenkopf an CDU-Mehrheit
Der Kanzler soll schuld sein
Dresden. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) bleibt vorerst im Amt: Erwartungsgemäß lehnte der Landtag gestern mit den Stimmen der CDU-Mehrheit die Rücktrittsforderung der PDS gegen den Regierungschef ab. In einer Sondersitzung enthielten sich drei SPD-Abgeordnete der Stimme, die übrigen votierten mit der PDS.
Vor der Abstimmung war es zu einem Schlagabtausch zwischen Opposition und Regierungsfraktion gekommen. So warf PDS-Fraktionschef Peter Porsch dem wegen der Mietaffäre in die Kritik geratenen Ministerpräsidenten "monarchistischen Umgang mit dem Amt" vor. Biedenkopf müsse den Weg frei machen für einen Neubeginn.
SPD-Fraktionschef Thomas Jurk forderte den Ministerpräsidenten gestern erstmals zum Rücktritt auf. "Die Ära Biedenkopf ist bereits vorbei", rief er ins Plenum.
CDU-Fraktionschef Fritz Hähle sprach demgegenüber von einem "destruktiven" Akt der Demontage, der von der sächsischen Union nicht mitgetragen werde.
(Eig. Bericht/J.K.)
Dresden. Kurt Biedenkopf sitzt in der Regierungsbank und grinst. Er lacht, blättert in Akten, plaudert. Sein Signal des Tages vor einem unüblich großen Medienaufgebot lautet: Cool bleiben. Die Rücktrittsaufforderung der PDS, die dafür eine Sondersitzung des Landtages einberufen ließ, lässt ihn anscheinend unbeeindruckt. Doch selbst in der CDU finden manche, es wäre besser gewesen, Biedenkopf hätte das Gewicht seiner Persönlichkeit in die Waagschale geworfen und persönlich zu den Angriffen der Opposition gesprochen als nur den blassen Beamten Georg Brüggen vorzuschicken - auch wenn die Forderung von der kompletten CDU-Fraktion in offener Abstimmung niedergestimmt wurde.
Immerhin werfen die Fraktionschefs von PDS und mittlerweile auch SPD dem Ministerpräsidenten Regierungsunfähigkeit vor und fordern ihn zum Rücktritt auf. "Wenn ein Ministerpräsident nur mehr im Fernsehen spricht und nicht mehr vor dem Parlament, so ist er im Grun-de schon zurückgetreten", sagt Sozialist Peter Porsch. Biedenkopf rechtfertigt sich dagegen: "Man redet nicht in eigener Sache." Ein Jurist würde sich auch nicht selbst verteidigen, ein Mediziner nicht selbst heilen. Zudem sei er der Ansicht, die PDS habe mit ihrem Antrag das Recht wie in DDR-Zeiten pervertiert.
Er sehe sich nach dem Scheitern des PDS-Antrages gestärkt und könne mit neuer Rückendeckung für das Land arbeiten, sagt er nach der zweieinhalbstündigen Debatte. Zugleich nutzt Biedenkopf vor der Fraktion und in Interviews den Tag für neue Andeutungen und Schuldzuweisungen. Die Strippenzieher für die sächsische Krise will er im Berliner Kanzleramt ausgemacht haben. Es sei doch bekannt, dass der SPD-Abgeordnete Karl Nolle, der seit Wochen für Wirbel sorgt, und Kanzler Gerhard Schröder, sich schon aus Hannover kennen. Zudem vermisse er von Schröder einen schützenden Zwischenruf, wie er ihn von Altbundespräsident Richard von Weizsäcker erhalten habe. Biedenkopfs getreuer Fraktionschef Fritz Hähle spricht die neue Verteidigungslinie offen aus. "Ich kann mir schon vorstellen, dass die Strategen in der Berliner SPD-Zentrale nachgedacht haben, was man denn da machen kann, um die Wahlchancen für 2002 im Osten nicht ganz zu verspielen", sagt Hähle mit Blick auf die kommende Bundestagswahl. Eine "Strategiekommission SPD-West" versuche, verdienstvolle Persönlichkeiten der CDU direkt anzugreifen und sie mit Unterstellungen und Halbwahrheiten zu Fall zu bringen. Nolle findet die Vorwürfe "unsinnig und lächerlich". "Dazu brauche ich keinen Kanzler, das Material liegt auf der Straße. Ich und meine CDU-Informanten sind nicht ferngesteuert", sagte Nolle unserer Zeitung.
Die Opposition vermied indes den Eindruck, sie fordere den Rücktritt nur wegen der Miet- und Yachtaffäre. SPD-Fraktionschef Thomas Jurk hat statt dessen einen Paradigmenwechsel festgestellt. Biedenkopf und sein landesväterlicher Stil seien - gerade in der Wissens- und Informationsgesellschaft - ein Auslaufmodell: "Nun, wo die Zeit des Kopierens des Westens vorbei ist und der Osten einen neuen Aufbruch nur im Beschreiten neuer Wege entfachen kann, ist die Biedenkopfsche Zeit abgelaufen." Die "besten Freunde" des Ministerpräsidenten seien eben Leute aus der Bau- und Immobilienbranche. Doch den kleinen Firmen innovativer Wirtschaftszweige könne der 71-Jährige kaum mehr helfen.
Peter Porsch nutzte die Sondersitzung indes zur Generalabrechnung. Er warf Biedenkopf einen missglückten Politikstil, düstere Wirtschafts- und Sozialdaten in Sachsen, verfassungsfeindliches Verhalten und monarchistische Hofhaltung vor. Porsch: "Die Peinlichkeiten überstürzten sich." Der Hofstaat und das Fußvolk der CDU beherrschten nichts außer Intrigen. Mit dem Versuch, über ihren Antrag geheim abstimmen zu lassen, war die PDSindes gescheitert.
Als Biedenkopf nach der Abstimmung vor die Journalisten trat, ließ er erneut keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit. Er sei bis 2004 gewählt und werde sich auch im Bundestagswahlkampf 2002 für die CDU als sächsischer Ministerpräsident intensiv einbringen. Doch die Zweifel, dass Biedenkopf dann noch im Amt ist, hielten sich im Landtag trotz der nach Außen demonstrierten Geschlossenheit. In CDU und Regierung wird längst um den Thron von König Kurt gestritten.
Für Aufsehen im Vorfeld hatte Heinz Eggert gesorgt. So forderte der CDU-Vize den Rücktritt von Biedenkopf für den Fall, "dass er gelogen hat". Zuvor aber müssten die Vorwürfe geklärt werden. Sollte sich zeigen, dass die Bevölkerung kein Vertrauen mehr habe, bleibe nur der Neuanfang, sagte er gegenüber unserer Zeitung.
(Sven Heitkamp)