Karl Nolle, MdL

junge Welt, 16.06.2010

Sachsensumpf - Zweiter Anlauf - Der Dresdner Landtag setzt erneut ein Ermittlungsgremium zum »Sachsensumpf« ein, aber die Aufklärer stehen unter Druck.

 
Wie bereits in der letzten Legislaturperiode des Sächsischen Landtags von 2094 bis 2009 werden die Aktivitäten krimineller Netzwerke in Sachsen auch zukünftig das Parlament beschäftigen. So soll Klaus Bartl (Die Linke), stellvertretender Vorsitzender der Landtagsfraktion und deren rechtspolitischer Sprecher, am heutigen Mittwoch erneut zum Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses gewählt werden. Das Gremium soll Licht ins Dunkel der unter dem Stichwort »Sachsensumpf« öffentlich gewordenen Skandalserie zu bringen.

Ende Mai hatte das Landesparlament beschlossen, die 2007 bekanntgewordenen Vorwürfe, denen Zufolge hochrangige Juristen, Politiker und Polizeibedienstete in Kinderprostitution, dubiose Immobiliengeschäfte und Mordanschläge verwickelt gewesen sein sollen, weiter aufzuklären. Oh dies tatsächlich gelingt, gilt als fraglich. So behinderten interessierte Kreise aus Politik und Justiz bereits die Arbeit des bis zur Landtagswahl 2009 amtierenden Untersuchungsausschusses und bezeichneten die auf 15 600 Seiten Aktenmaterial dokumentierten kriminellen Vorgänge als »heiße Luft«.
»Die Wiedereinsetzung dieses Untersuchungsausschusses haben sich die CDU-Amtsträger in Fraktion und Staatsregierung selbst eingebrockt:

Durch die einjährige Bloeckade der Anfklärungsarbeit des Gremiums in der letzten Wahlperiode, die vom sächsischen Verfassungsgerichtshof beendet werden mußte, konnte aus Zeitgründen nur ein Drittel des damaligen Untersuchungsauftrages abgearbeitet werden«, konstatierte nun Klaus Bartl anläßlich der 'erneuten Einsetzung des Ausschusses. Allerdings hat sich die_ Position der wenigen ernsthaft aufklärungswilligen Politiker in Sachsen nicht gerade verbessert. So geht die sächsische Justiz derzeit mit massivem Verfolgungseifer wegen angeblichen Subventionsbetruges gegen den SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle vor. Er hatte sich in der Vergangenheit über die Landesgrenzen hinweg einen Namen gemacht, weil er akribisch und ohne Rücksicht auf die eigene politische Karriere versuchte. Vetternwirtschaft, Filz und kriminelle Aktivitäten in der Politik Sachsens an die Öffentlichkeit zu bringen.

"Wer Vetternwirtschaft, Filz und Kriminelles
in Sachsen aufdeckt, bekommt die Steuer-
prüfung ins Haus"

Mittlerweile mehren sich die Stimmen. die die juristische Verfolgung Nolles in einen Zusarnmenhang mit seinen Aufklärungsaktivitäten bringen. So vermutet man in den Reihen der Linksfraktion, daß Nolle wirtschaftlich ruiniert und dadurch mundtot gemacht werden soll. Auch Stefan Strewe, Rechtsanwalt des SPD-Politikers, mutmaßt, daß es bei dem Vorwurf des Subventionsbetruges für das Druckunternehmen Nolles darum gehe, diesen in seinem Ansehen zu beschädigen und in seiner Arbeit als Abgeordneter zu behindern«. Tatsächlich waren Ermittlungen erst eröffnet worden, nachdem ein entsprechendes Prüfformular der Finanzbehörde im nachhinein verändert wurde.

Der inzwischen wegen der Kampagne gegen ihn auch gesundheitlich angeschlagene Politiker ist nicht das einzige Opfer dubioser Aktivitäten der sächsischen Justiz. Sie ging auch gegen mehrere Journalisten vor, die den Sachsensumpf - Skandal kritisch beleuchteten. Zu den skandalträchtigen, bislang folgenlosen Vorgängen gehört zudem, daß eine Zeugin, die in den 90er Jahren zur Prostitution im damaligen Leipziger Kinderbordell »Jasmin« gezwungen worden war und einen heutigen Richter als einen ihrer damaligen Peiniger ausgemacht haben wollte, sich schnell mit der Staatsanwaltschaft konfrontiert sah.

Von Lenny Reimann

»Der Untersuchungsausschuss wurde behindert«

Sächsische Linksfraktion will Aktivitäten krimineller Netzwerke weiter aufarbeiten. Ein Gespräch mit Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke im sächsischen Landtag

Ende Mai wurde vom Sächsischen Landtag die erneute Einrichtung eines Untersuchungsausschusses beschlossen, der Licht in die Aktivitäten mafioser Netzwerke bringen soll, die unter dem Stichwort »Sachsensumpf« bundesweit für Aufsehen sorgten. Waren Sie mit der Arbeit des Untersuchungsausschusses in der letzten Legislaturperiode nicht zufrieden?

Ich war nicht damit zufrieden, daß der Ausschuß durch die verfassungswidrige Blockade der von der CDU geführten Staatsregierung mehr als ein Jahr am Arbeiten gehindert wurde. Erst nachdem der sächsische Verfassungsgerichtshof den Weg frei gemacht hatte, konnten wir uns mit Akten und Zeugen beschäftigten, aber nur noch etwa ein Drittel des Untersuchungsauftrages abarbeiten. Zumindest darüber bestand ist übrigen am Ende der letzten Wahlperiode Einvernehmen. Deshalb sahen schon im letzten Sommer Linke, FDP, Grüne und der SPD-Obmann im Sachsensumpf-Untersuchungsausschuß weiteren Aufklärungsbedarf.

Inzwischen ist die FDP in der Regierung, was den Aufklärungseifer zum Erliegen gebracht hat, während die SPD wieder zur Opposition gehört und damit die Meinung des seinerzeitigen Obmanns offensichtlich zur Fraktionsmeinung geworden ist. Das ist gut so. Linke und Grüne machen das, was sie vor der Wahl angekündigt haben. Bei uns gibt es ja. sogar den offiziellen Anftrag an die Fraktion per Landtagswahlprogramm, diesen Ausschuß wieder einzusetzen.

Hochrangige CDU-Funktionäre und auch Journalisten haben die Vorwürfe in der Vergangenheit als »heiße Luft« bezeichnet. Sie hingegen sehen weiteren Aufarbeitungsbedarf. Warum?

Ich habe im Unterschied zum ehemaligen CDU-Innenminister Albrecht Buttolo zu keinem Zeitpunkt ganz Sachsen in den Fängen der Mafia gesehen. Auch plagten mich von Anfang an als Jurist manche Zweifel, ob eine parlamentarische Kontrollkommission, die bedauerlicherweise ohne juristischen Beistand agieren muß, einer solch komplexen Thematik gewachsen ist. Schließlich liegen da Akten mit 15.600 Seiten des zeitweiligen Referates »Organisierte Kriminalität« des Landesamtes für Verfassungsschutz auf den Tisch.

Das ändert aber nichts daran, daß ich aufgrund der Kenntnis von Prozeßakten aus öffentlichen Verfahren und Aussagen von Zeitzeugen Kenntnis von Ungereimtheiten habe, die im Interesse intakter Rechtsstaatlichkeit aufgeklärt werden müssen. Im übrigen sitzen immerhin noch drei zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte in Haft, während diejenigen, die sie erwiesenermaßen zu der Tat angestiftet haben, straffrei davon gekommen sind.

Welche Sachverhalte sollen nun schwerpunktmäßig bearbeitet werden?

Es geht um mögliche lokale korruptive Netzwerke, die allerdings nicht ohne Zuschauen der für ihre Bekämpfung auf Landesebene Verantwortlichen exi-stieren konnten, Ein über 100 Seiten umfassender Sonderbericht des Sächsischen Rechnungshofes zu einer Immobilienaffäre mit beinahe tödlichem Ausgang in Leipzig, die bereits ein Schlüsselfall des »Sachsensumpfes« war, dem sich der Untersuchungsausschuß und zuvor zahlreiche Medien in der letzten Wahlperiode gewidmet haben, beinhaltet eine Fülle neuer brisanter Fakten.

Dieser Prüfbericht vom Juli 2009 wurde dem Landtag von der Staatsregierung bis vor kurzem vorenthalten. Ein typisches Beispiel für die fortgesetzte Verschleppungs- und Verschleierungstaktik auch der jetzigen Staatsregierung, die einen weiteren wichtigen Untersuchungskomplex des Ausschusses darstellen wird.

Die CDU hat die Ausschußarbeit in der Vergangenheit stets torpediert. Befürchten Sie neuerliche Störmanöver?

Ich darf daran erinnern, daß der heutige Justizminister Jürgen Martens (FDP), als er noch in der Opposition und rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion war, die Vermutung äußerte, daß es wohl doch einen Sachsensumpf gebe, sehe man an dem hartnäckiger Bestreben, Aufklärung zu blockieren. Denn wenn an der Sache nichts dran sei, wäre das ja völlig überflüssig. Die CDU bekommt das Thema »Sachsensurnpf« nur vom Tisch, wenn dieser Ausschuß sich störungsfrei konstituieren und seinen vom Landtag erteilten Aufklärungsauftrag zügig abarbeiten kann. Störmanöver kosten Zeit, Geld, Nerven - und nicht zuletzt die Glaubwürdigkeit der CDU-Politiker, die sagen: Alles nur helße Luft!

Während das sächsische Landeskabinett aktuell von CDU und FDP gestellt wird, regierte in der letzten Legislaturperiode eine große Koalition. Hat sich der Aufklärungswillen der SPD aufgrund der neuen Oppositionsrolle verändert?

Wie ich schon andeutete. mag der politische Rollenwechsel dazu beigetragen haben. Vor allem aber hat der Ausschußobmann der SPD, Karl Nolle, eine engagierte, Arbeit geleistet und damit sicher manchen Fraktionskollegen die Augen geöffnet. Neben den Gerüchten von der »heißen Luft« gibt es ja auch ernüchternde Fakten, zum Beispiel, daß die Staatsanwaltschaft lieber Journalisten, die intensiv recherchiert haben, vor Gericht bringt, als selbst das zielstrebig aufzuklären, womit sich die Journalisten befaßt haben.

Interview: Lenny Reimann