Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 31.08.2015

Kommentar: Sachsen hat ein Problem

 
Thilo Alexe über die CDU und den Rechtsextremismus.

Das geht ihm nahe. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich spricht von dumpfem Hass und einem noch nie erlebten Ausmaß an Menschenverachtung. In der vergangenen Woche hat der CDU-Politiker offenbar erstmals selbst die aufgeheizte Stimmung erlebt, die sich in mehreren sächsischen Kleinstädten ausbreitet – beim Besuch von Angela Merkel in der Heidenauer Flüchtlingsunterkunft.

Offenbar ist Tillich entsetzt von dem, was er zu hören bekam. Ein Dialog war kaum möglich. Am Wochenende sprach Tillich von einer nicht zu unterschätzenden rechtsextremistischen Szene in Sachsen und kritisierte kurz vorher diejenigen, die bei NPD-Aufmärschen applaudieren. Solche Töne sind neu. Bislang wurde in der Union eher der Stolz auf den Freistaat betont. Das Land erschien aus CDU-Perspektive als farbiger Mix aus Tüftlern, emsigen Fachkräften, als High-Tech-Schmiede vor barocker Kulturkulisse.

Das gibt es alles in Sachsen, aber eben nicht nur.

Oft wird in diesen Tagen ein Passus von Tillichs Vorgänger Kurt Biedenkopf zitiert, wonach das Land kein Problem mit Rechtsextremismus hat.

Der jetzige Kabinettschef setzt sich davon ab. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil diese Haltung in der sächsischen CDU nicht unbedingt Konsens ist. Lokale Unionspolitiker reden braune Umtriebe klein, führende Parteigrößen betonen gerne das rasche Abschieben.

Die regierende Sachsen-CDU, auch das gehört zur Wahrheit, hat es in der Flüchtlingsfrage nicht leicht. Die Landesverwaltung muss Erstaufnahmeplätze für eine rasch steigende Anzahl von Flüchtlingen schaffen. Die SPD besetzt die positiven Seiten des Themas wie Integration und Bildung. Von rechts macht die AfD Druck, die sich als besorgter Vertreter besorgter Bürger zeigt.

Tillich hat ein seit Jahren bekanntes Problem klar benannt. Was folgt? Die stramme sächsische Finanzpolitik scheint nicht mehr Dogma zu sein. Kürzungen bei der Polizei, die in Heidenau anfangs zu schwach war, sollen korrigiert werden. Was aber passiert beim Thema Neonazis? Die Gesellschaft muss die erreichen, die mitlaufen, aber nicht ganz dabei sind. Geld kann helfen – und Haltung.