Karl Nolle, MdL
welt.de, 28.08.2015
Die Antifa jagt Sachsens Innenminister einfach vom Hof
Erst sollte das Willkommensfest in Heidenau verboten werden, dann fand es statt. Die meisten Flüchtlinge gingen auf Distanz. Nicht so die Antifa, die den Innenminister Sachsens einfach vom Hof jagte. Von Wolfgang Büscher
Ärger beim Auftritt des sächsischen Innenministers Ulbig: Als er vor Kameras ein Statement abgeben wollte, wurde er von Demonstranten bedrängt. "Welt"-Reporter Martin Heller war mit Periscope live und dicht dabei.
Die Festwiese ist der Parkplatz des Deko-Marktes neben der Flüchtlingsunterkunft, das Fest war eben noch verboten. Um halb drei Uhr nachmittags fahren ein paar Polizeiwagen herbei, ihre Sirenen hört man von Weitem. Um halb drei treffen die ersten Unterstützer des Flüchtlingsfestes ein. Um halb drei lässt Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz mitteilen, er gebe kein Statement zur aktuellen Lage ab. Die Lage ist so: Am Morgen waren noch alle Demonstrationen und Kundgebungen in Heidenau verboten, bis Montag früh. Nachdem dieses Verbot in einer verwaltungsgerichtlichen Eilentscheidung fiel, fragt es sich, wie dieser Tag enden wird. Für den frühen Abend haben die Rechten eine Demonstration angekündigt.
Ein Vertreter der Festveranstalter sagt: "Ich hoffe auf ein schönes Fest. Ich hoffe, die Gaukler und Clowns kommen, die zugesagt haben, und lassen sich vom Verbot nicht abschrecken." Es solle gegrillt und getanzt werden. Das Verbot wurde mit einem polizeilichen Notstand begründet. Nicht genug Polizei sei verfügbar, um Ausschreitungen in Heidenau zu verhindern. Der Festveranstalter sagt:
"Es ist nicht bloß ein Polizeinotstand, es ist ein Politiknotstand in Sachsen, ein Staatsversagen." Sachsen sei ein Hort "rassistischer und faschistischer Bewegungen", die Regierung verschließe davor die Augen.
Ein Antifa-Kämpfer ruft, es sei doch egal, ob genug Polizei da sei: "Es sind genug Antifas da!"
Ausländerfeindliche Pöbeleien bei Willkommensfeier
Während ein Willkommensfest für Flüchtlinge ausgerichtet wird, pöbeln nur wenige Meter entfernt ausländerfeindliche Anwohner. Auf "Periscope" entbrannte eine Diskussion mit "Welt"-Reporter Martin Heller.
Nun trifft ein Zwölftonner aus Berlin ein. Voller Spenden. Ein schwärzlicher Zug marschiert herbei, vorweg die Parole: "Capitalism" sei der Grund für die vielen Flüchtlinge. Nicht etwa der IS oder Assad oder die Taliban. Der Parkplatz des Deko-Marktes ist sonst eher leer, nun füllt er sich mit Autos, viele haben Berliner oder westdeutsche Kennzeichen. Die Heckklappe des Lasters wird jetzt geöffnet, die Flüchtlinge werden gebeten, eine Reihe zu bilden, die Spendentüten gehen von Hand zu Hand zu einem improvisierten Zelt, darauf steht "Antifaschistische Aktion". Jeder sucht sich heraus, was er brauchen kann und geht zurück in die Unterkunft.
Vielleicht 100 sind herausgekommen, von etwa 700, die in der Unterkunft nebenan leben. Polizisten gehen Patrouille. Es ist nicht so, dass die siebenhundert auf Spenden aus Berlin angewiesen wären. Alle zehn, zwanzig Minuten hält ein Auto aus Heidenau oder Umgebung vor der Unterkunft, jemand steigt aus und gibt seine Spende ab. Ab und zu, eher selten, hupt jemand, der vorüberfährt – ein Anti-Asyl-Protest. Aber die Hilfsfrequenz der Heidenauer ist deutlich höher als die Hupfrequenz.
Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU, M.) wird in Heidenau von Demonstranten angegangen
Kurz vor vier kommt Bewegung auf. Cem Özdemir macht seine Ankündigung wahr, auf jeden Fall herzukommen. "Als ich in den Zug gestiegen bin, hieß es noch, das Fest ist verboten. Als ich ausstieg, war das Verbot aufgehoben." Ein Verbot wäre, sagt er, ein "Zurückweichen vor den Rechtsradikalen" gewesen. "Es darf in dieser Republik keinen Zentimeter, keine Sekunde geben, in der die Freiheit der Demonstration nicht stattfindet. Ich habe in der Schule gelernt, dass es ein staatliches Gewaltmonopol gibt." Dieses könne nicht vor Rechtsradikalen kapitulieren.
Sachsens Innenminister wird einfach vertrieben
Nun ist der Grill aufgebaut. Özdemir dreht eine Runde, bestaunt die Wiese, auf der mittlerweile die Berliner Antifa-Spenden ausgebreitet sind. Nein, es wird kein Cem-Özdemir-Starauftritt. Die Syrer und Iraker kennen ihn sowieso nicht. Und die Sachsen betrachten ihn freundlich, mancher macht ein Foto, aber eine Sensation ist er nun auch nicht. Gut so. Schneidige Auftritte der Hauptstadtprominenz im Osten und vor allem in Sachsen sind eben eine zweischneidige Sache. Einerseits wünscht man sich hier Unterstützung. Aber wenn Sigmar Gabriel von "Pack" spricht, löst er Reflexe aus, auch bei denen, die er gar nicht meint. Den alten sächsischen Reflex gegen Berlin, gegen die Preußen, gegen die DDR-Hauptstadt, gegen die Arroganz der Zentrale.
Salzhemmendorf - Gibt es bei uns einen neuen Rechtsterrorismus?
Wieder gab es einen Anschlag auf ein Asylbewerberheim, diesmal in Salzhemmendorf. Die Behörden prüfen jetzt, ob es einen neuen organisierten Rechtsterrorismus in Deutschland gibt.
Eine Hüpfburg wird aufgeblasen. Einzelne Frauen und Kinder trauen sich heraus. Einige Hundert Leute sind gekommen. Die Flüchtlinge bleiben eher unter sich, was kein Wunder ist, die sprachlichen Barrieren sind für viele zu hoch. Und vielleicht nicht nur die. Ein Berliner Antifa-Aktivist klärt einen Syrer darüber auf, das "Bullen" überall auf der Welt "Bullen" genannt würden, weil sie nun mal welche seien. Der Syrer sagt nichts, er schaut ernst drein. Ein Land, in dem die Polizei seine Rechte und sein Leben schützt – war es nicht das, was ihn auf die Flucht trieb? Und in die Hoffnung, ein solches Land zu finden?
Tumult jetzt. Markus Ulbig erscheint, Sachsens Innenminister. Was reitet den Mann? Wen hofft er hier zu treffen, zu sprechen? Er, der heute früh noch für das Verbot des Festes stand, will es nun besuchen! Dazu kommt es nicht. Schwarz vermummte kreisen ihn ein, der Rest ist Hass. "Hau ab, hau ab!" und "Nie wieder Deutschland!" Und er haut ab, anders kann man es nicht sagen. Er zieht sich zurück und fährt davon. Der Veranstalter des Festes hält einen jungen Mann davon ab, auf den Minister loszugehen. Gebrüll. Hasstiraden, gereckte Fäuste und Mittelfinger. Die Antifa-Welt ist wieder in Ordnung, die Fronten, sie stehen wieder.
Jetzt wird doch noch gefeiert in Heidenau - Nach den rechten Krawallen gab es nun doch ein Willkommensfest für die Flüchtlinge in Heidenau. Nahe der Flüchtlingsunterkunft wurde getanzt und gegrillt. "Welt"-Reporter Martin Heller war dabei.