Karl Nolle, MdL
SAX Dresdner Stadtmagazin Nr. 8/2018, 01.08.2018
Gutmenschen
Über Herta und Kurt Fuchs ist wenig bekannt Beide waren Jahrgang 1908, sie Wäscherin, er Schlosser oder Sanitäter, man weiß es nicht so genau; wegen seiner schlechter Gesundheit war er vom Militärdienst befreit. Einfache Leute. Ein kinderloses Ehepaar, das im beschaulichen Oberpoyritz lebte, ihre politische Einstellung ist nicht überliefert. In den letzten Kriegswochen nahmen sie in ihrer Laube drei jüdische Flüchtlinge auf, versorgten sie mit Nahrungsmitteln und Kleidung. Die drei gehörten einem Arbeitskommando von KZ-Insassen an, das in einer Munitionsfabrik in der Schandauer Straße Zwangsarbeit verrichten musste. Nach den Luftangriffen auf Dresden und der Zerstörung der Fabrik waren sie auf einen Todesmarsch geschickt worden und konnten fliehen. Die Hilfsaktion blieb in Oberpoyritz nicht unbemerkt, mit der Ausrede, es handle sich um katholische polnische Fremdarbeiter, rettete das Paar sich und die Flüchtlinge bis zum Kriegsende.
In der Nacht des 12. Mai 1945, wenige Tage nach der Kapitulation, erschoss ein vom antisemitischen Dorfbürgermeister und örtlichen, Nationalsozialisten bestelltes Hinrichtungskommando Kurt Fuchs und einen der Flüchtlinge, den polnischen Juden Josef Szwajcet die beiden anderen konnten entkommen. Herta Fuchs soll, da niemand ihr beim Begräbnis half, ihren Mann im Garten ihres Grundstücks begraben haben und lebte danach Jahrzehnte zurückgezogen. Hochbetagt konnte sie nach 1989 noch einen der Flüchtlinge in England ausfindig machen, den 1945 siebzehnjährigen Roman Halter, der sie 1993 in Dresden besuchte und der die Geschichte seiner Rettung aufgeschrieben hat.
2003 ist Herta Fuchs gestorben. Auch der Name des anderen Überlebenden ist bekannt: Abraham Sztaler, er ging nach dem Krieg nach Italien, später nach Palästina. 1995 erkannte die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem Kurt und Herta Fuchs als »Gerechte unter den Völkern« an. Die »Gerechten symbolisieren die Humanität des Menschen die Essenz der Vorstellung, dass jeder Mensch die freie Wahl hat, sich im Angesicht des Bösen für das Gute zu entscheiden und nicht gleichgültig bleiben darf«.
Wie gesagt, über Herta und Kurt Fuchs ist wenig bekannt, ihre Geschichte ist in Dresden weitestgehend vergessen. Mir fiel sie jetzt wieder ein, in einer Zeit, in der »Gutmensch« vielen als Schimpfwort gilt, Flucht als Tourismus verunglimpft wird, der Innenminister sich an seinem Geburtstag mit der Übereinstimmung von Abschiebezahlen mit seinem Alter brüstet, der Kapitän des vom Dresdner Verein Lifeline entsandten Seenotrettungsschiffes vor Gericht steht und im Mittelmeer nach wie vor Flüchtlinge ersaufen, namenlos die meisten.
(WONNE)