Karl Nolle, MdL
Lausitzer Rundschau, 17.05.2001
Der strauchelnde König kämpft um die Macht
Sachsens Ministerpräsident will keinesfalls aufgeben
DRESDEN. Nachdem er bei den jüngsten Fernsehinterviews sichtlich angespannt gewirkt hatte und Journalisten schon mal weit gehende Ahnungslosigkeit vorwarf, wir nun Lockerheit Trumpf. Sachsens Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU) gab sich anlässlich der Landtagssondersitzung zu seinen kritisierten Mietverhältnissen gestern äußerst milde und heiter. Geduldig sprach er im Anschluss in die Mikrofone, scherzte in die Kameras und hatte für die harsche Oppositionskritik nur Achselzucken übrig: „Die Regierungsfähigkeit sprechen die mir doch schon seit Jahren ab", meinte er lässig. Doch Biedenkopf, der die Spielregeln auf dem politischen Parkett genauestens kennt, garnierte seinen wiedergefundenen Humor mit scharfen Spitzen.
Biedenkopf sieht sich immer mehr als Opfer einer politischen Intrige. So schätzen auch seine Unionsfreunde die anhaltenden Vorwürfe gegen den Regierungschef ein, der sich aus dem Amt heraus persönliche Vorteile verschafft haben soll. Seit Tagen kritisiert Biedenkopf vor laufenden Kameras Medien, die sich aus seiner Sicht an einer Kampagne gegen ihn beteiligen. Die Drahtzieher sitzen nach Einschätzung Biedenkopfs und der CDU vor allem in Berlin.
Hintermänner der Bundes-SPD?
Als Hintermänner wurde die Bundes-SPD ausgemacht, die Biedenkopf im Kampf um Wählerstimmen demontieren will - Bundeskanzler Gerhard Schröder eingeschlossen. Der nämlich soll die Debatten um angeblich günstige Mietverhältnisse und ebenso günstige Dienstleistungen wie Kochen, Putzen und eben Gartenpflege für die Biedenkopfs mit angefacht haben. Nicht, dass der sächsische Ministerpräsident Schröder etwa solches wortwörtlich vorwarf. Biedenkopf verwies vielmehr hintersinnig auf die Freundschaft zwischen dem Kanzler und dem sächsischen SPD-Abgeordneten Karl Nolle, der die Staatskanzlei mit immer neuen Fragen zu Biedenkopfs Lebensstil nervt. Und: Von Schröder habe er - anders als etwa von Altbundespräsident Richard von Weinäcker - keinen schützenden Zwischenruf vernommen.
So stellten es denn auch Redner aus den Reihen der CDU dar, die gestern im Landtag mit ihrer Mehrheit erwartungsgemäß eine an Biedenkopf gerichtete PDS-Rücktrittsforderung abschmetterten. Partei- und Fraktionschef Fritz Hähle meinte, eine „Strategiekommission SPD-West" versuche, „verdienstvolle Persönlichkeiten der CDU direkt anzugreifen und sie mit Unterstellungen und Halbwahrheiten zu Fall zu bringen." Ähnlich äußerte sich Staatskanzlei-Chef Georg Brüggen, der in der Vergangenheit mehrfach in Dresden ins Rampenlicht treten musste, um die Vorwürfe in der weiter umstrittenen Mietaffäre gegen Biedenkopf zurückzuweisen.
Die Opposition dagegen kehrte in der Debatte zu dem aus ihrer Sicht eigentlichen Ausgangspunkt der Debatte um den 71-jährigen Regierungschef zurück. Denn PDS und SPD halten die von Biedenkopf Anfang des Jahres selbst ausgelöste Diskussion um seine Nachfolge für des Wurzels Übel. PDS-Chef Peter Porsch fand deutliche Worte: „Wer sich jahrelang loben lässt dafür, dass er keinen anderen mit eigener Meinung neben sich duldet, darf sich nicht wundem, dass der Hofstaat und das Fußvolk außer der Intrige nichts beherrschen." Die Entlassung vorn Finanzminister Georg Milbradt, der wegen Differenzen mit Biedenkopf bei der Regelung der Nachfolge seinen Hut nehmen musste, sei Ursache der Zerstrittenheit in der CDU. Darin sei die jetzige Krise der Regierung begründet.
Biedenkopf solle auch zurücktreten, weil damit der Weg für eine offene Auseinandersetzung in der CDU um seine Nachfolge frei würde verlangte Porsch. SPD-Fraktionsch8t Thomas Jurk riet ebenso deutlich, der Regierungschef solle den Weg freimachen, damit sich der Landtag wieder mit Sachthemen auseinander setzen könne.
„An meinem Stuhl sägt niemand"
Der Regierungschef, der seit 1990 eine absolute Landtags-Mehrheit der CDU im Rücken hat, wird diesen Ratschlägen nicht folgen. „An meinem Stuhl sägt niemand", hatte er unlängst bekräftigt. Er lasse sich von niemandem aus dem Amt drangen, betonte er nach der Sondersitzung des Landtags nochmals.
In der Debatte hatte er ganz souverän dem PDS-Mann Porsch sogar einen kleinen Trumpf gegönnt. Jener hatte Biedenkopfs Faible für Spielzeugeisenbahnen in die Debatte geworfen und von einer riesigen Anlage mit vier oder fünf Trafos berichtet, an die König Kurt nicht mal seine Gattin Ingrid oder die Enkel lasse. Biedenkopf lachte herzlich mit.
Der Streit um seine Person dürfte dennoch nicht ausgestanden sein. Die PDS überlegt bereits, ob sie ein so genanntes konstruktives Misstrauensvotum anstrengt, um Biedenkopf abwählen zu lassen. Die SPD will einen Untersuchungsausschuss zur Mietaffäre einsetzen lassen. Selbst wenn diese Bemühungen scheitern, bleibt die Diskussion am Kochen. Ende Mai soll dann ein Bericht des Rechnungshofes vorliegen, der sich mit den umstrittenen Mietkonditionen Biedenkopfs befasst.
Zudem ist die Nachfolgedebatte in der CDU noch längst nicht beendet. lm Herbst stehen auf einem wegen dieser Debatte vorgezogenen CDU-Landesparteitag Neuwahlen an. Dann muss sich zeigen, ob die Anhänger Biedenkopfs in der CDU stärker sind als die des Ex-Finanzministers Milbradt, der auch mit dem Parteivorsitz liebäugelt.
(Petra Strutz und T. Alexe)