Karl Nolle, MdL

Rundfunkinterview WDR 5, MORGEN ECHO, 08:07 Uhr, 26.05.2001

Sächsischer Landesrechnungshof verlangt Nachzahlung in der Biedenkopf-Mietaffäre - Staatskanzlei lehnt ab.

Was meint die Opposition? Interview mit Karl Nolle, Wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag
 
Moderator Achim Schmitz-Forte:
Das war gerade ein Bericht zur gestrigen Pressekonferenz des Sächsischen Rechnungshofes. Ich bin verbunden mit Karl Nolle, dem Wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD im Sächsischen Landtag, guten Morgen Herr Nolle.

Karl Nolle:
Guten Morgen

Achim Schmitz-Forte:
Was ist Ihre Ansicht, wie geht es weiter?

Karl Nolle:
Also zunächst muß dem Bericht Ihrer Kollegin hinzugefügt werden, was hier zur Zeit in Sachsen abläuft ist in der Geschichte der Bundesrepublik unvergleichlich. Es hat noch nie einen Landesrechnungshof gegeben, der in solche Größenordnungen einen Ministerpräsidenten zu solchen finanziellen Konsequenzen auffordert. Er muß bis zu einer Million Mark nachzahlen, aber das schlimmste ist ...

Achim Schmitz-Forte:
Wie kommen Sie auf eine Million?

Karl Nolle:
Das sind 10 Jahre mal 100.000 DM was Biedenkopf jährlich an Personal genutzt hat.

Achim Schmitz-Forte:
Aber diese Zahl ist natürlich unrealistisch. Wenn Sie diesen hohen Betrag nehmen dann hat auch der Rechnungshof gesagt, das kann man so nicht ansetzen, da muß Biedenkopf ein billiges Verfahren ...

Karl Nolle:
Er muß bis zu einer Million nachzahlen, der Betrag wird bis zu einer Million DM hoch sein, und es ist die Frage, wie man verhandelt, es können auch 500 Tausend sein, da brauchen wir uns nicht um ein paar Einhunderttausend Mark haben. Tatsache ist, daß dies ein unvergleichlich hoher Betrag ist. Wobei das nur das Geld ist, auf der anderen Seite aber die Feststellung des Rechnungshofes daß sowohl die Höhe der Miete, wie die Festlegung der Wohnungsgröße, wie aber auch die Inanspruchnahme des Servicepersonals insgesamt, auf keinerlei Rechtsgrundlage erfolgte. Also er hat zum Beispiel in seinem privaten Ferienhaus am Chiemsee von 1995 bis 1999 Personal aus der Staatskanzlei 231 Mann-Tage beschäftigt. Von diesen 231 Tagen waren ganze 11 Tage, nach Ermittlungen des Rechnungshofes, dienstlich veranlaßt, also 220 Tage privat. Daraus ergibt sich die hohe finanzielle Forderung. Das politische Problem ist aber ein ganz anderes. Für das was jetzt auf dem Tisch liegt, wären andere Ministerpräsidenten und andere Minister in der Bundesrepublik schon zehn-, zwanzigmal zurückgetreten worden und die Partei die dazu gehört, in diesem Falle die CDU, hätte sie aus dem Amt gejagt.

Achim Schmitz-Forte:
Zurückgetreten worden wären, Herr Nolle, das war das Stichwort, Sie bleiben in der Defensive, Sie können Biedenkopf nicht aus dem Amt hinausjagen, wie Sie das gerne machen würden.

Karl Nolle:
Eine Opposition, die ja nicht die Mehrheit im Parlament hat, kann nicht den Ministerpräsidenten aus dem Amte jagen. Aber wir sagen dazu, der Ministerpräsident soll endlich seine Feigheit aufgeben und sich einer geheimen Abstimmung und der Vertrauensfrage stellen. Er hat keine Mehrheit mehr im Parlament. Er kann nur im Amt bleiben, wenn er eine geheime Abstimmung vermeidet.

Achim Schmitz-Forte:
Herr Nolle, Biedenkopf selber beruft sich auf eine Art Vertrauensschutz, nach seinem Ermessen und dem bestehenden Nutzungsvertrag, habe er rechtens gehandelt, er habe es nicht besser wissen können.

Karl Nolle:
Kurt Biedenkopf ist ein versierter Wirtschaftsanwalt, der sich in diesen Dingen ganz genau auskennt. Wenn er den Bürgern der Bundesrepublik und den Sachsen klarmachen will, daß er davon nichts gewußt hat und daß er das alles für in Ordnung gehalten habe, dann ist die Frage, ob man ihm das glauben kann. Ich persönlich glaube ihm nicht. Auch der Rechnungshof hat gesagt Biedenkopf ist der Chef und ist die Spitze der gesamten Verwaltung und es ist davon auszugehen, daß die Informationen auch zu ihm gekommen sind.

Achim Schmitz-Forte:
Werden Sie ein konstruktives Mißtrauensvotum wenigstens versuchen?

Karl Nolle:
Ich denke, daß es notwendig ist. Es werden Versuche dazu stattfinden. Die Frage ist aber eigentlich jetzt mehr an die CDU zu richten. Gibt es genügend Mitglieder der CDU, die klug und vernünftig genug sind, jetzt endlich Schluß zu machen mit diesem heillosen Theater in Dresden.

Achim Schmitz-Forte:
Aber meine Frage war, wird die SPD ein Mißtrauensvotum einleiten und wenn ja wann?

Karl Nolle:
Nun, wir können das nicht alleine machen. Als kleine Opposition im Landtag können wir diese Mißtrauensvotum nicht beantragen, weil wir dazu nicht stark genug sind, dazu müssen dann immerhin die Stimmen der PDS hinzukommen ...

Achim Schmitz-Forte:
Die würden Sie aber bekommen?

Karl Nolle:
... natürlich auch Stimmen der CDU, sonst haben wir dazu keine parlamentarische Mehrheit.

Achim Schmitz-Forte:
Das war Karl Nolle, der Wirtschaftspolitische Sprecher der SPD im Sächsischen Landtag.