Karl Nolle, MdL
Dresdner Morgenpost, 12.06.2001
Bier und Sekt bis in die späte Nacht.
Katerstimmung nach der Wahlschlappe
DRESDEN. Ingolf Roßberg und seine Anhänger feierten ausgelassen den Wahlsieg in der ersten Runde. Rund 500 Menschen verwandelten das Wahlkampfbüro in der Maxstraße in eine große Party. Doch Roßberg bleibt keine Zeit zum Ausruhen - der Wahlkampf geht in Runde 2.
„Jetzt beginnt schon wieder die Anspannung", erklärt Roßberg. Die Spuren des Wahlabends sind ihm deutlich anzusehen. Mit dunklen Augenringen nimmt er die Glückwünsche von Freund und Feind entgegen. „Mein Chef, der OB von Wuppertal, hat mir auch schon gratuliert", sagt er stolz.
Doch wie geht's jetzt weiter? Roßberg: „Wir fangen bei null an. Ich bin glücklich, aber nicht übermütig." Ein Team aus Parteien und der Initiative „OB für Dresden" bastelte schon gestern an einer Strategie. „OB für alle Dresdner", ist dabei ein möglicher Slogan. „In unseren Hochburgen war die Wahlbeteiligung nicht sehr hoch. Hier wollen wir noch mehr Stimmen gewinnen", sagt Dietrich Herrmann von der Initiative.
Das Zünglein an der Waage könnte die unabhängige Kandidatin Friederike Beier sein. Herrmann: „Wir werden mit ihr sprechen." Denn zieht sie zurück und gibt eine Empfehlung für Roßberg, könnten ihre acht Prozent die Wahl entscheiden. „Wir entscheiden am Mittwoch", sagt ihr Sprecher Uwe Milde.
Freude auch bei der PDS. „Ohne uns gewinnt keiner, mit uns jeder", jubelt Christine Ostrowski. Und zu einer möglichen Kandidatur von Wolfgang Berghofer im zweiten Wahlgang: „Der soll bleiben, wo der Pfeffer wächst."
(ks)
Katerstimmung nach der Wahlschlappe
Nach der Wahlschlappe des Amtsinhabers - gerade mal 42 Prozent - sucht die CDU verzweifelt nach Ursachen. Eine Krisensitzung jagt die nächste.
Doch so richtig kann sich keiner das Desaster erklären. „Die CDU hat das bürgerliche Lager katastrophal schlecht mobilisiert", analysiert Wahlkampfmanager Walter Hannot die Niederlage. „Möglich ist auch, dass viele CDU-Wähler nach den positiven Umfragen für Wagner dachten, dass die Sache schon gewonnen ist und deshalb zu Hause geblieben sind." Und CDU Fraktions-Chef Michael Grätsch ergänzt: „Wir haben die unentschlossenen Wähler im Wahlkampf zu wenig berücksichtigt." CDU-Stadtrat Jürgen Eckoldt nachdenklich: „In der Stadt ist eine Wechselstimmung aufgekommen."
Streit gibt's in der CDU über die Rolle von Kurt Biedenkopf. Kreis-Chef Dieter Reinfried übt Kritik an Biedenkopf, weil er Roßberg als „Schrott aus Wuppertal" bezeichnet hatte: „Er könnte eine Komponente des schlechten Ergebnisses sein.“
Grötsch hält scharf dagegen: „Es ist völlig falsch, die Ursache bei Biedenkopf zu suchen."
Doch wie will Wagner bis zum 24. Juni sein schlechtes Ergebnis aufbessern? Hannot: „Bis jetzt haben wir die anderen Kandidaten nicht kommentiert. Jetzt werden wir die Widersprüche in Roßbergs Politik auflisten." Auf Deutsch: Die CDU bläst zum Angriff auf den Wahlsieger.
Es gab gestern noch einen klaren Verlierer: FDP-Stadtrat Jan Mücke. Der hatte sich sogar auf die Wahlkampf-Bühne mit Wagner gestellt, obwohl seine Partei Roßberg unterstützt.
(ks)